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Alle Worte (c) MiKu
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Miau
Miau

„Ich weiß nicht wie ich- aber...du bist jetzt sicher geschockt davon aber ich sag's jetzt
einfach. Ich hab da schon lange wen anders. Fest. Und sie will das- also das hier... nicht
mehr.“
Nein. Erstaunlicher Weise gar nicht. Er irrte sich.
Sie sah dem kleinen Schwall weißer Wolken nach, seinem Atem, der noch in der
schwarzen Luft hing. Es schockierte sie nicht. Viel mehr hatte sie es geahnt. Nie
ausgesprochen, auch nicht im Kopf. Klar war es aber irgendwie doch gewesen.
Milchglasklar.
Er redete weiter. Er hätte ihr das früher sagen sollen, er hätte sie ausgenutzt, er hätte sich
schlecht gefühlt. War das so? Sie verdrehte unter dem Schild ihrer Wollmütze die Augen.
Er sprach wie immer nur von sich. Sie ließ den Blick schweifen und schmunzelte in sich
hinein.
Am Ende der Straße tanzten zwei Schatten verspielt im orangen Lichtkegel einer Laterne.
Gern hätte sie seine Hand genommen und gesagt, das wäre in Ordnung, sie wären doch
Freunde.
„Und jetzt bin ich hier, um mich zu verabschieden.“
Der Satz kam, eingehüllt in einen Rauchkringel und grellen weißen Nebel. Sie hustete
und kniff dabei die Augen fest zu aus Angst, sie könnten aus ihren Höhlen und auf die
schwarze Straße hinab fallen. Dann würde ein Auto sie versehentlich überfahren.
Schmerzhaft.
Dem, was zwischen ihnen gewesen ist, muss sie nicht nachtrauern. Diese Kleinigkeit, der
Sex, das Gerede über offene Beziehungen, Freiheit und den ganzen Unsinn. Schade war
es nur um den Tanzkurs, ohne Partner brauchte sie da nicht mehr aufzutauchen.
Wieder fixierte sie den orangen Lichtkegel. Die tanzenden Schatten waren zwei Katzen.
Aber sie tanzten gar nicht. Die eine stürzte auf die andere nieder.
Die untere schrie. Die obere floh.
Die letzten Tage hatte sie weniger an ihn gedacht, wegen der Arbeit vor allem. Am
Wochenende aber saß sie allein zu Hause, immer mit diesem fiesen Kribbeln unter der
Haut, das sie nie zur Ruhe kommen ließ. Sie zog sich Eindutzend Mal um, flocht die
Haare, steckte, zwirbelte, schüttelte sie wieder auf, schob Möbel hin und her. Sie ging
zum Fenster, zog die Reißleine, zuckte nicht, als das Bambusrollo auf den Knöcheln ihrer
linken Hand aufschlug. Sie machte drei unentschlossene Schritte auf ihren Schreibtisch
zu. Müde sackte sie in den knarzenden Stuhl und drückte den Startknopf ihres Computers
mit dem rechten Zeh.
Es war Zeit seit dem Gespräch vergangen und sie sah ihn überall. Zuerst war es ihr wie
eine große Halluzination vorgekommen, eine, die fast zwei Meter maß, um genau zu sein.
Aber gerade das war der Witz. Sie verwechselte niemanden, sie bildete sich nichts ein. Er
war wirklich da. Jeder Zentimeter von ihm.
In der letzten Reihe in einem der zahllosen Busse saß er. Als Passant wartete er mit drei
anderen an einem Fußgängerüberweg auf Grün. Und dann stand er an der hintersten
Kasse in diesem Supermarkt, in den sie doch eigentlich nie ging. Nur dieses eine Mal,
weil sie das Büro erst um halb zehn verlassen hatte. Wie sollte sie ihn vergessen, wenn er
ständig dort war, wo sie war?
Freunde begannen sich Sorgen zu machen. Besorgte Freunde am Telefon, besorgte
Freunde zum Latte Macchiato, fünf besorgte Freunde an jeder Hand. Er sei ein
Arschloch, ein Wichser und ein Schwein. Das Wichtigste, für sie jetzt, sei nach Vorne
schauen, ihn vergessen, und weiter suchen. Es gibt noch viele einsame Katzen, die bei
Nacht durch die Straßen dieser großen Stadt streifen. Mit Sicherheit.
Eine grelle Melodie verkündete die Einsatzbereitschaft des Computers. Sie musste ihm
schreiben. Eine erschreckend ehrliche Mail, schonungslos sich selbst und ihrer Würde
gegenüber. Ihm berichten von den wiederkehrenden Gefühlsausbrüchen, dem
zerstörerischen Ausmaß, dass seine wenigen Worte auf ihr Leben gehabt hatten, dass sie
nichts so sehr bereute, wie diese letzten Monate. Sie entschloss sich fest dazu. Doch nur
zaghaft tippte sie einige Zeilen in ein leeres Dokument, löschte, tippte, löschte, tippte...
stoppte, schließen ohne zu speichern, ja, herunterfahren, sofort.
Sie sah sich selbst im schwarzen Monitor gespiegelt. Sie lächelte, belächelte sich und
diese Gedanken. Bitterlich lächerlich.
Die Wände schluckten ihr ausgehustetes Lachen. Es war klein und unbedeutend. Die
winzige Wohnung kam ihr dennoch groß vor und leer. Ihre Füße berührten den Boden
nicht mehr und sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie das linke über das rechte Bein
schlagen oder das rechte unter das linke schieben sollte. Sie sprang vom Stuhl auf, zum
Fenster und zog ruppig das klapprige Rollo wieder nach oben, bis es schief aufgerollt auf
dem Rahmen hockte. Sie hatte plötzlich den Wunsch nach Licht gehabt.
Und draußen sah sie die beiden Katzen. Die streckten sich gegenüber im Hauseingang,
streiften die Pfoten an der Fußmatte ab, schlichen hinaus und zwischen den parkenden
Autos hindurch, bis sie gemeinsam bei der Reihe Mülltonnen ihrem Blick verloren
gingen, an dieser einen Stelle, an der er jedes Mal seinen Kippenstummel hatte fallen
lassen. Wie im vorbei gehen war er einmal kurz drauf getreten und dann weiter gegangen.
Sie trugen die gleiche Wollmütze, das war ihr sofort aufgefallen, als sie ihn das erste Mal
von hier aus beobachtet hatte. Seine war bemüht über seine unkontrollierbaren Haare
gestülpt, was ihn immer seltsam unbeholfen aussehen ließ.
Jeden Abend und jeden Morgen ging er in ihrer Straße zur selben Zeit hinab und dann
wieder hinauf. Morgens eine Zeitung, abends ein Bier in der Hand. Beides aus dem
Spätkauf – ein kleiner Luxus, den er sich gönnte, obwohl er immer knapp bei Kasse war.
Sie fragte ihn irgendwann nach einer Zigarette, als er schon fast an ihr vorbei gelaufen
war und obwohl sie nicht rauchte und verwickelte ihn so hastig in ein Gespräch, dass sie
sich selbst dumm dabei vorkam. Dennoch, er sprang darauf an und vergaß, wonach er in
seiner Hosentasche gefummelt hatte. Feuerzeug.
In den nächsten Tagen hatten sie sich im vorübergehen gegrüßt. Sein federnder Schritt
ließ sie unwillkürlich lächeln und weil sie spürte, dass er ihr kurz nachsah, fuhr ihr die
Fröhlichkeit durch den Bauch. Sie konnte sich gut vorstellen, ihn öfter zu sehen.
Beinahe berührte ihre Nase jetzt das Fenster, ihr Atem beschlug an der kalten Scheibe, ihr
Unterleib war eng gegen den heiß blubbernden Heizkörper gepresst. Mittlerweile musste
sie nur noch daran denken, ihn zu sehen und spürte gleich den feuchten Film auf ihren
Augen brennen. Ihr Atem, der am Glas kondensierte, zog sich langsam zusammen und
nahm seine Konturen an. Bleierne, süßliche Luft kroch in ihrem Hals empor, sie traute
sich nicht, den Mund zu öffnen und kniff auch die Augen zu. Zwei dünne Tränen drangen
kaum durch den Kranz ihrer Wimpern und waren schon ganz kalt, als sie von ihren
Wangen rollten. Die Zeit hing im Raum und war zum schneiden dick.
Beim nächsten Mal hatte auch sie ihm nachgesehen. Die Köpfe nacheinander verdreht
hatten sie gelacht und sie ihn zu sich eingeladen.
Sehr um seine Höflichkeit bemüht, lobte er mehrmals das Essen. Sie nahm es mit rosa
lächelnden Wangen hin... obwohl ihr klar war, dass die Spaghetti völlig zerkocht
gewesen waren. Am Ende begossen sie alles mit billigem Rotwein, den sie in
Ermangelung sauberer Gläser aus der Flasche tranken.
Der letzte große Schluck platschte von seiner Unterlippe auf sein weißes Hemd. Kichernd
streckte sie sich auf dem Bett aus, bemerkend, das alles sei wie der Vorspann eines
Pornos, und er schlug glucksend vor, dann könnten sie doch auch so weiter machen. Sie
wehrte sich nicht.
Bei Tagesanbruch, als sie hellwach war und er noch verschlafen, flüsterte er ihr küssend
eine Frage ins Ohr. Er wollte wissen, was sie wollte. Lange war sie still, ihr Bauch raunte
ihr zu, so etwas könne kein gutes Zeichen sein. Dass er sie mochte, das wollte sie. Er
mochte sie wohl – aber sich festlegen mochte er momentan nicht. Das hier wäre doch so
schön, so frei, so unkompliziert.
Im Radio hatte man irgendeinen Kubaner vor's Mikro importiert, der sang und trommelte
und klimperte, ein einfacher Salsa-Rhythmus. Mit zwei Fingern sanft auf seine Schläfe
klopfend, hatte sie ihn gefragt, ob er das könnte. Er umgriff gähnend ihre Hand und
schmatzte gegen ihren Puls, für sie wollte er das gerne lernen.
Sie grinsten sich zu, sobald das Tanzlehrerpaar wieder einmal bedeutete, wie gut sie
harmonierten. Himmlisch. Feurig. Alles. Besser als die meisten Paare im Kurs, die
wirklich Paare waren. Grundschritt, Drehung Frau, Drehung Mann. Viel, fanden sie, für
den ersten Abend. Die ganze Zeit hatten sie leise Witze gerissen, sich ab und an auch
lustig gemacht über die anderen, die mit roten Köpfen und steifen Extremitäten gegen sie
taumelten. Sie selbst hingegen verstanden sich und den Körper des anderen so gut, als
hätten sie ihn schon Jahre lang gekannt und im Arm gehalten. Nichts war holperig oder
ungelenk. Alles passte, hatte schnell den richtigen Schwung, Charme, Ästhetik.
Manchmal berührten ihre Beckenknochen sich sanft, wenn sie sich umeinander drehten.
Es war eng und warm und sie rochen sich und sahen sich tief in die Augen – und einen
Moment verloren sie sich tatsächlich ganz weit ineinander, bis die Musik ausging, er sich
trocken räusperte, ihr Gesicht ganz heiß wurde und sie schnell – den anderen hinterher –
den Saal verließen. Alles an ihr und in ihr bebte und hoffte, dass er auch dieses Mal noch
auf einen Schluck Rotwein mitkommen würde. Dann würde sie ihm erlauben können, zu
übernachten. Und auszuschlafen. So lange er wollte.
Auf dem Weg nach Hause abr, war er seltsam schweigsam gewesen, unruhig und stumm
zugleich. Ganz egal welchen Scherz sie machte, sie holte ihn immer nur für Sekunden aus
den tiefen Schatten, die sich immer über seine Augenhöhlen legten, wenn er grübelte.
Als sie sich dann an der Straßenecke verabschiedeten, die ihre beiden zu Hause
voneinander trennte, beugte sie sich schnell nach vorn, küsste ihn mit trockenen, kalten
Lippen auf die Wange und wollte gehen, aber er packte plötzlich ihr Handgelenk. Wieder
war da dieses misstrauische Rumoren im Bauch. Unangenehm.
„Hör mal, bevor du gehst“ - ihr flackerten kleine schwarze Flecken vor den Augen, bei
dem Versuch ganz fest in das Licht einer Laterne zu sehen. Sie konnte ihn kaum hören.
„Du nimmst das mit uns zu ernst, glaube ich.“
Sie wollte reden, etwas entgegnen. Er hatte unrecht, sie müssten gemeinsam eine
Entscheidung treffen. Er könnte unmöglich einfach ganz allein bestimmen. Die Wahrheit
sah anders aus. Er hatte alles schon entschieden, sich entschieden, gegen sie. Gegen das
hier. Sie fühlte sich selbst nicht mehr. Taub. Ihr blieb nur das Gehen übrig, allein, ohne
irgendeine tröstende Aussicht.
Erst viel später, als sie wieder vor dem Fenster stand, sah sie die beiden Katzen ein letztes
Mal zusammen. Sie streiften stolz ihr dichtes Fell aneinander, ohne lange dabei zu
verweilen und verschwanden schnell in entgegengesetzte Richtungen, als sie ein
nahender Passant aufschreckte.
Er hatte sich umgedreht, war gegangen, und sie hatte ihm eine Weile nachgeschaut. Mehr
war zwischen ihnen nicht gewesen.
 
Wer das ist.  
  .hat Geschichten im Kopf seit sie denken kann.

.schreibt sie nieder seit sie das Alphabet beherrscht.

.veröffentlicht sie seit das WWW den Wald erreichte.

.wartet jetzt mit einer kleinen Bibliothek online auf.

.hofft, dass dir ihre Prosa zusagt und du ihr eine Nachricht hinterlässt ;)
 
SCHNEE VON GESTERN  
  Gut. Vielleicht reicht es nicht, für bestimmte Wettbewerbe. Dann kann ich den Text wenigstens hier veröffentlichen. Wie gefällt euch HörenSagen?  
Sonst irgendwo noch Wetterstationen?  
  Gesicht im Buch DuRöhrst StudentenVerzeichnis  
getippter Text von heute Nacht  
  Martin saß seit Stunden da und starrte. Als er auf dem Weg zum Bus inne gehalten, das Telefon kaum geistesgegenwärtig wieder in die Innentasche seines Sakkos hatte gleiten lassen, war es gerade hell geworden. Jetzt spürte er den Schatten seiner eigenen Nase in seinem Gesicht, so hoch stand die Sonne. Die rundliche Spitze des niedrigen Pfeilers, auf dem er mit seinem über die Jahre immer dicker gewordenen Hintern lehnte, war kalt und ziemlich unbequem. Martin bemerkte das nicht. Er bemerkte auch nicht die alte Frau mit dem kleinen Hund, den 'jungen Mann' ansprach und fragte, ob er Hilfe bräuchte. In der Tat sah Martin vielleicht ein wenig danach aus. Es war einer der ersten Tage in seiner neuen Schale.
Obwohl er sich mittlerweile täglich rasierte, blieb das stoppelige, unausgeschlafene Gefühl in seinem Gesicht hängen. Auch in seinem neuen Leben blieben seine Augen, wie sie waren. Von roten Äderchen durchzogen, blutunterlaufen, ragten sie ein Stück zu weit aus den großen Höhlen hervor.
Er versuchte, regelmäßig seine Nägel zu schneiden, aber sie wurden niemals richtig schön. Er bekam das noch nicht hin, die Linie gerade krumm zu halten.
 
Noch was?  
  Studieren strengt an.  
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