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HörenSagen


HörenSagen

Mir war es gleich suspekt gewesen, dass sie in einem Haus untergebracht worden waren. Früher
oder später, das war klar, hatten sie sich über den Weg laufen müssen.
Klaras Augen strahlten an diesem Nachmittag. Sie sei auf dem Flur jemandem begegnet – in
Wahrheit waren sie gegeneinander gestoßen – witzig, nicht? Zuerst hatte ich nicht verstanden, hatte
genauer hinsehen müssen. Sie ließ sich auf ihr kleines Bett fallen, dass das Zimmer annähernd
ausfüllte und kicherte schräg, viel zu tief, vor sich hin.
Ich hatte versucht, sie möglichst schnell vom Thema abzubringen, sobald sie mir erzählte, er hieße
Niklas. Welche Hausaufgaben sie hätte, wie die Schule gewesen wäre. Doch er war bereits in ihrem
Kopf und in den Wochen danach verging kein Weg durch das Internat, auf dem sie nicht an jeder
Ecke in die Flure sah, hoffnungsvoll nach ihm Ausschau haltend.
Jetzt sitze ich wieder in ihrem Zimmer, sie liegt wieder in ihrem Bett, die Decke bis unter die Nase
gezogen wie ein Kind. Ihr Gesicht ist rot und glänzt. Immer wieder bittet sie mich darum, einzelne
Sätze, Passagen, dann doch den ganzen Brief zu wiederholen.
Was er schreibt, das geht ans Herz und hat sogar mir beim übersetzen ein Lächeln die Wangen
hinauf geschoben, auch wenn es von Magenschmerzen begleitet war.
Liebe Klara, dieser Brief wird lange dauern, denn ich tippe nur sehr mühselig und es wird
anstrengend für mich sein. Aber ich kann nicht anders, denn du gehst mir nicht aus meinen
Gedanken, seit unsere Knie auf dem Flur aneinander gestoßen sind. Deine sind schön, schmal und
glatt, meine leider eher knubbelig und ich bin viel kleiner als du.
Er klingt bescheiden, seine Wortwahl ist außergewöhnlich für sein Alter. Er schreibt viel nettes über
Klaras weiche Stimme, die doch so unerwartet und immer überraschend ist. In Wahrheit kann sie
ihren Kehlkopf nur schwer kontrollieren. Vermutlich ahnt Niklas das auch, aber wenn man verliebt
ist, dann ist eben alles rund.
Dass sie sich nicht treffen können, sich nicht verabreden, dafür ist gesorgt, das wird besorgt. Es ist
so gewünscht und vorgesehen. Sie bewohnen ein Haus, aber nicht gemeinsam.
Einen Antwortbrief hat sie schon geschrieben und drückt ihn mir in die Hand, bevor ich sie mit
nach oben gepressten Schultern dem leeren Raum und ihren Träumen überlassen kann.
Ich spüre mich verwundert blinzeln. Hatte sie den Brief nicht gerade erst vor zwei Stunden
erhalten? Ja, sagt sie. Die Antwort war aber vorher schon fertig. So.
Ich stecke das ausgefranste Blatt Papier nicht in die Hosentasche, trage es auf der Hand bis in mein
Büro, damit nichts verloren geht. Darum bemühe ich mich, auch bei der Übersetzung.
Natürlich ist Klaras Sprache anders, einfach, weiter zurück.
Wir stießen sehr angenehm gut zusammen. Du hast lange Haare weich. In meinem Gesicht.
Aber ich ändere nach Möglichkeit nichts, tippe Wort für Wort, soweit es eben geht. Am Ende ist es
bloß ein halbes Blatt, ziemlich weiß. Nur wenn man es unter der Schreibtischlampe hin und her
dreht, erkennt das Auge die sich ausdehnenden Schatten, geworfen von vielen halben Dutzend
kleiner Knubbel, von meiner Schreibmaschine ins Papier gedrückt.
Als ich schon nach Bettruhezeit Niklas' Zimmer betrete, setzt er hastig seine Sonnenbrille auf, sticht
sich fast in die Augen damit. Es ist ganz dunkel, nur die kleine rote Lampe an seinem alten
Kassettenrecorder glimmt vor sich hin. Ein Hörspiel läuft leise raschelnd, ich komme mir vor wie
ein Störenfried. Er vertraut mir nicht so sehr wie Klara es tut. Aber ich bin in diesem Haus, in dieser
Stadt, vermutlich diesem Land der einzige, der Blindenschrift UND Gebärdensprache beherrscht.
Ich sage nichts, beuge mich nur von der Schwelle nach vorn, erreiche von dort das Bett problemlos
– die Zimmer sind hier alle gleich – und lege ihm schweigend den Brief auf die gefalteten Hände.
Zum ersten Mal sehe ich ihn erschrecken, heftig zuckt er zusammen, zerknüllt das Papier jedoch
nicht. Diese Antwort hat er schon lange erwartet.
Meine Augen haben sich langsam an das schwache Licht gewöhnt und ich meine, ihm seinen
rasenden Herzschlag ansehen zu können. Er ist erst elf Jahre alt und eigentlich immer ruhig, ein
sonniges Gemüt. Jetzt werden seine Hände ganz schwitzig, während er Zeile um Zeile abtastet. Er
spricht kein Wort mit mir, fragt nichts, sagt nichts, interessiert sich nicht. Der Briefträger ist ganz
egal, nur, was von Klara kommt, will er wissen.
Ich schließe die Tür hinter mir und trotz allen mulmigen Bauchgefühls lächle ich ein wenig
ergriffen, als ich an diesem Abend das Internat verlasse.
„Das ist doch absurd.“
Sie stellt ihre leere Kaffeetasse klirrend auf dem Schreibtisch ab. Die Platte ist gläsern und kalt. Ich
sitze mit gekrümmten Schultern in dem Stuhl ihrem Chefsessel gegenüber und fühle mich wie einer
der Schüler. Sie sieht streng aus wie immer, ihre offenen Locken liegen schwarz und platt am Kopf
an, gerade bis auf die Schultern reichend. Ich schlucke staubtrocken und hoffe, sie bemerkt meine
Unsicherheit nicht. Meine Stimme fühlt sich rau an.
„Die beiden haben eine Art Verbindung zueinander. Klara hat einen Zugang gefunden. Niemand
sonst kommt hinein. Wir sollten zu Niklas' Gunsten versuchen, das zu fördern.“
„Wir haben hier eine große Auswahl, dreihundert Schüler, und sie kommen mir ausgerechnet mit
DEN beiden?“ sie lässt sich nicht unterbrechen, sieht mich warnend an „Was hat das noch mit
Förderung zu tun?“
Auf ihrem Tisch liegen die Akten der beiden Schüler, daneben ein Stapel Zeitungen. Oben auf eine
Reklame für Cochleaimplantate. Sie ist technisch interessiert, wissenschaftlich stets auf dem
neuesten Stand. Sozialpädagogen hält sie nicht für Akademiker.
„Und was bitte soll dabei heraus kommen? Ihre Förderungskonzepte sind komplett gegensätzlich,
ebenso wie übrigens ihr intellektueller Anspruch. Herrgott, sie sind noch nicht einmal gleich alt.“
Hier will ich einwenden, überlege es mir aber dann anders.
„Die beiden sollten wenigstens in ihrer Freizeit zusammen kommen können.“
Sie lacht klar und kalt.
„Sie wissen doch, auf wen das am Ende wieder zurück fällt? Ich kann mir dann was anhören, von
den Eltern, und vom Senat.“
„Aber ich-“
„Kein Aber!“
Die Nacht darauf ist unruhig. Ich reibe meine Haare ziepend auf dem Kissen herum, in der
Hoffnung, so auf eine Lösung zu kommen. Schließlich treiben Unmut und Abscheu mich aus dem
Bereitschaftsbett. Nach einigen Metern Linoleum stehe ich vor der Schwelle zu Niklas' Zimmer.
Der Flur ist dunkel, aber bei ihm brennt Licht. Das hat er vorher nie benutzt. Durch einen kleinen
Spalt beobachte ich die Szene, die gerade auf dem winzigen Bett stattfindet.
Er und Klara haben ganz allein, ohne Hilfe, wieder zueinander gefunden. Sie sitzen sich im
Schneidersitz gegenüber, sie mit dem Rücken zu mir. Ihre glatten und seine knubbeligen Knie
berühren sich dann und wann zaghaft. Beide tragen Schlafanzüge, im Zimmer ist es stickig, die Luft
liegt schwer und warm über ihnen wie eine Pferdedecke. In seinem Schoß liegt der
Kassettenrecorder, der leise rauschend ein Hörbuch abspielt. Ich brauche nicht allzu lange Zeit, um
den Text zu erkennen, in dem es um einen Frosch geht, Frankreich und feine Nasen. Dass Niklas
dieses Buch sehr gerne mag, hatte ich schon mitbekommen. Dass er es auswendig mitsprechen
kann, damit hatte ich nicht gerechnet. Mit den Armen gestikuliert er, zieht manchmal Grimassen,
lacht viel und so sehr, wie ich ihn noch nie habe lachen sehen. Und langsam beginne ich, zu
verstehen.
Noch einige Minuten kann ich mich dem Bild nicht entziehen. Klara gluckst und kichert, hebt selbst
die Hände zu halben Gesten, fasst sich manchmal an den Hals, das Ohr, die Wange, den Mund. Ich
kann hören, wie ihre Augen gerade leuchten. Lippenbewegungen und Gebärden zu folgen, fällt ihr
sehr viel leichter, als lesen. Wahrscheinlich hat sie in ihrem ganzen Leben noch nicht so eine tolle
Geschichte gehört.
Ich verrate die beiden natürlich nicht, bin mir nicht sicher, ob sie wissen, dass ich sie hin und wieder
heimlich beobachte. Sie sind zu sehr aufeinander konzentriert. Noch einige Zeit bleibt das Wetter
kalt und so ist ohnehin kaum ein Schüler länger als notwendig draußen, darum fallen sie
niemandem auf. Der erste Schnee kommt grau und matschig vom Himmel, die meisten Kinder
fiebern schnell der Heimreise entgegen.
Klara und Niklas essen Kekse und zünden eine Duftkerze an. Außerhalb seines Zimmers hat sie
noch nie einen ganzen Satz gesprochen.
Als sie sagt, „Noch nicht vorbei.“, sobald der Recorder stoppt, werde ich noch röter als Niklas.
Klara lehnt sich in die Kissen, streckt sich und seufzt. Er hört es natürlich und er hört auch das
Rascheln des Stoffes, aber er traut sich keine Berührung. Sie kommt seiner tastenden Hand
entgegen und verflechtet sie in ihre.
Ich drehe mich um und gehe zum Essen. Mir ist nach Weihnachten, Glühwein und einer Zigarette.

Wer das ist.  
  .hat Geschichten im Kopf seit sie denken kann.

.schreibt sie nieder seit sie das Alphabet beherrscht.

.veröffentlicht sie seit das WWW den Wald erreichte.

.wartet jetzt mit einer kleinen Bibliothek online auf.

.hofft, dass dir ihre Prosa zusagt und du ihr eine Nachricht hinterlässt ;)
 
SCHNEE VON GESTERN  
  Gut. Vielleicht reicht es nicht, für bestimmte Wettbewerbe. Dann kann ich den Text wenigstens hier veröffentlichen. Wie gefällt euch HörenSagen?  
Sonst irgendwo noch Wetterstationen?  
  Gesicht im Buch DuRöhrst StudentenVerzeichnis  
getippter Text von heute Nacht  
  Martin saß seit Stunden da und starrte. Als er auf dem Weg zum Bus inne gehalten, das Telefon kaum geistesgegenwärtig wieder in die Innentasche seines Sakkos hatte gleiten lassen, war es gerade hell geworden. Jetzt spürte er den Schatten seiner eigenen Nase in seinem Gesicht, so hoch stand die Sonne. Die rundliche Spitze des niedrigen Pfeilers, auf dem er mit seinem über die Jahre immer dicker gewordenen Hintern lehnte, war kalt und ziemlich unbequem. Martin bemerkte das nicht. Er bemerkte auch nicht die alte Frau mit dem kleinen Hund, den 'jungen Mann' ansprach und fragte, ob er Hilfe bräuchte. In der Tat sah Martin vielleicht ein wenig danach aus. Es war einer der ersten Tage in seiner neuen Schale.
Obwohl er sich mittlerweile täglich rasierte, blieb das stoppelige, unausgeschlafene Gefühl in seinem Gesicht hängen. Auch in seinem neuen Leben blieben seine Augen, wie sie waren. Von roten Äderchen durchzogen, blutunterlaufen, ragten sie ein Stück zu weit aus den großen Höhlen hervor.
Er versuchte, regelmäßig seine Nägel zu schneiden, aber sie wurden niemals richtig schön. Er bekam das noch nicht hin, die Linie gerade krumm zu halten.
 
Noch was?  
  Studieren strengt an.  
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