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WortWolkenGewitter |
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meine hand |
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von 2oo6
Meine Hand riecht einsam
1
Seufzend blies Bela sich einige der strähnigen langen Haare aus der Stirn, lehnte seine etwas fiebernde Wange an die kühle Fensterscheibe des Busses und suchte sich eine möglichst bequeme Position. Denn er hatte keine Chance, sich anders zu platzieren, da sich der junge Rod in seiner Schläfrigkeit zutraulich an ihn klammerte und friedlich an seiner Schulter schlummerte.
Es tat beiden wohl ganz gut, sich ab und zu zutreffen, nach dem die ehemaligen Depp Jones – Mitglieder sich vor wenigen Monaten in alle Winde zerstreut hatten.
Auch wenn sie zusammen nicht sonderlich erfolgreich gewesen waren, spürte Bela, dass er den jungen, außergewöhnlich ruhigen Gegenpol brauchte. Die Verbundenheit, die die beiden nach wenigen Auftritten, dagegen unzähligen überdrehten Nächten und Morgen danach aufgebaut hatten, schien mittlerweile unzertrennlich zu sein. Dies hoffte Bela wenigstens und wenn er ehrlich war, bemühte er sich doch sehr um die Aufrechterhaltung ihres Kontaktes, war ihm doch schon einmal eine ähnlich feste Verbindung unter den Händen weggestorben. Kurze Zeit gab er seinen schweren Lidern nach und führte sich unweigerlich Bilder vor Augen, die ihn bedrückten, ob ihrer bedingungslosen Ehrlichkeit, die er schon beinahe für unwirklich hielt, die ihm so entfernt erschien. Seine Hand schloss sich in seiner Tasche fest um jenen bedeutungsschweren, aber ebenso irreal scheinenden Brief, der darauf aufdringlich knisterte. Und auch wenn er nicht wusste, wie er Jans Rede, die das geduldige Papier aufgesogen hatte, nun so recht verstehen sollte, spürte er doch einen kleinen einsamen Funken Hoffnung in sich springen, wenn er an ein eventuelles Treffen mit ihm dachte.
Beinahe verpasste er, wie die Haltestelle, an der die beiden aussteigen mussten, immer näher kam. Hastig langte er an Rod vorbei nach einem der Stopknöpfe und mühte sich gleichzeitig ab, den Ex-Gitarristen seiner Band aufzuwecken, der in eine Tiefschlafphase übergeglitten schien.
„Rod?!“
Nur sehr träge hob der Jüngere die Augenlider an, blinzelte aus verschlafenen braunen Augen zu Bela hinauf. Jener musste etwas grinsen, fragte sich zum wiederholten Mal, wie ein Mensch gleichzeitig noch ein Kind, aber doch so vernünftig sein konnte.
Vielleicht war es auf seine zeichnende Vergangenheit zurück zu führen, doch der Schwarzhaarige hatte keine Zeit mehr, darüber eingehend nach zu sinnen, so wie er es stets unter dem Einfluss des auf Dauer melancholisch machenden Alkohols tat. SO zog er den Chilenen, der gerade irgendetwas auf spanisch murmelte, mi9t sich aus dem Bus, dessen Türen sich direkt hinter ihnen schlossen.
Bis sie am Eingang des alten Backsteinhauses ankamen, war Rod so weit aufgewacht, dass Bela ihn nicht mehr stützen musste und so ungestört die Taschen seiner zerknautschten Lederjacke nach dem Schlüssel durchsuchen konnte.
„Felse? Is okay wenn ich -?“
„No problem. Logo kannste bei mir pennen.“
Bela konnte nun das verlegene Grinsen in seinem Nacken spüren. Aus einem unerfindlichen Grund fühlte er sich, zumindest wenn Rod betrunken, todmüde und weit entfernt von seiner eigenen Wohnung in Berlin herumlungerte, für den Jüngeren verantwortlich.
Er selbst bekam allerdings auch nie mit, dass es bis vor wenigen Wochen stets umgekehrt gewesen war.
Mit weniger Mühe als vorher buchsierte der Schwarzhaarige Rod in den eng zugestellten Raum, in dem sich auch sein altes Doppelbett befand.
„Ich kann doch auf dem Sofa...“
Rod schaffte es nicht, seinen Satz zu vollenden, da ein herzhaftes Gähnen seine Stimme unterbrach.
„Hab keins mehr.“ Antwortete der Ältere schlicht und nur nebenbei, während er geschäftig durch das Zimmer stakste und CDs, Pizzakartons, Dosen und Zeitschriften von der Zweiten, zu seinem eigenen Bedauern in letzter Zeit ungebrauchten Betthälfte auf den nicht minder bedeckten Boden warf.
„Is zwar keen 5 Sterne-Schuppen...“
Diesmal war es Bela, der seine Rede nicht zu ende führen konnte, denn Rod hatte es sich bereits auf der eingesunkenen Matratze bequem gemacht und lächelte beim Gefühl des sicheren, weichen Stoffes, fühlte sich einen Moment lang wie im Himmel und blickte versonnen lächelnd zu dem Schwarzhaarigen hoch.
Der schüttelte leicht grinsend den Kopf und nahm gerade Anlauf, um sich neben ihn zu werfen, als ein lautes Kreischen durch die kleine Wohnung hallte, das, wie er nur langsam registrierte, von seinem alten Telefon ausging.
Genervt seufzend tappte er durch das dunkle Zimmer, hörte Rod längst ruhig und gleichmäßig atmen und stolperte beinahe über das alte Schränkchen, stützte sich ungelenk auf die Telefongabel und presste den zerkratzten Hörer unnötig fest an sein Ohr.
„Ja?“ meldete er sich nicht unabsichtlich ziemlich forsch und heiser.
Eine Weile herrschte Stille und Bela wurde langsam wirklich sauer, war kurz davor, einfach aufzulegen, oder noch besser, dass Telefon aus dem Fenster zu befördern als plötzlich eine Stimme erklang, die alle Wut, nein jegliche Gefühlsregung in ihm zurück stellte.
„Dirk?“
2
Der Angesprochene antwortete mit nichts als einem harten Schlucken, richtete sich langsam, um nicht auf eine der Flaschen zu treten, auf, nur um sich sofort Halt suchend auf die kleine Kommode zu setzen, sein nackter Rücken schabte schmerhaft an der rau geputzten Wand, doch das registrierte er kaum.
„Hast meinen Brief bekommen? Ich hab gehofft, du sagst bescheid, wenn du kein Interesse hast.“
Ja. Er hatte diesen Brief bekommen. Wenn Bela jetzt die Augen schloss, sah er sogar jede einzelne Zeile vor sich, auch wenn er es gern vermieden hätte, Jans Meinungsänderung fest zu stellen. Diese Eindeutige Aussage, die ja irgendwie auch ein wenig nach Sehnsucht klang, hatte wie ein Stein gewirkt, der ihn zurück Richtung seiner Vergangenheit gestoßen hatte.
Mit dem Abbruch des Kontaktes zu Jan hatte er sich nach einer Weile gut arrangieren können, aber die Unsicherheit, die nun durch diesen Brief gelegt war, hinderte ihn am weiterleben und schloss ihn beinahe ein. Und er hasste Bedrängnis.
„Ich...“
Sofort wurde er wieder unterbrochen, als hätte der Gitarrist nur auf ein einziges Wort gewartet:
“Ja ja, sicher hast du selbst genug Termine und bist noch nicht zum antworten gekommen.
Aber ich würde gern mit dir reden. Sagen wir in einer Stunde...“
Seine Adresse rasselte so schnell durch den Hörer, dass Bela die Worte kaum aufnehmen konnte, dann nur noch das Freizeichen in der Leitung.
Blinzelnd öffnete er die Augen, musste sich erst in seiner eigenen Wohnung wieder orientieren, als wäre er eben aus einem Traum erwacht.
Als er eine halbe Stunde später das Haus verlies, Rod schlief tief und er glaubte so wieso, bald wieder zurück zu sein, plagte ihn noch immer ein Ringkampf mit seinem Gewissen.
Ihm war klar, dass er im Begriff war mal wieder blind nach Jans Pfeife zu tanzen, wie eine hungrige Schlange sich nach der Flöte des Fakiers bewegte, doch seine Neugier war zu groß, die Frage nach einem Wiedersehen zu verlockend, hatte er sich doch lange nach ihm gesehnt.
„Hey, bist ja doch noch gekommen.“
Bela fühlte sich unsicherer denn je, obwohl man meinen sollte, er könnte einen so langjährigen Freund einschätzen. Doch immer wieder rief er sich, mehr oder weniger tröstend, ins Gedächtnis, dass nach diesen fünf Jahren, Bela selbst kam es wie viel mehr vor, wohl Welten zwischen ihnen liegen könnten, wo sie doch schon seit jeher wie Tag und Nacht waren.
Absolut anders, aber unzertrennlich. So war es zumindest gewesen.
Wieder schluckte er, nickte mechanisch und betrat den Flur seiner Wohnung, der Brief in seiner Hosentasche geknüllt.
Zögernd setzte er sich auf ein zerknautschtes braunes Ledersofa in dem mit warmen Tönen ausgelegtem Wohnzimmer.
„Willst du was trinken? Ich hab grad Tee gemacht.“ fragte der Blonde, seine Haaren waren wieder kurz und frisch gefärbt, scheinbar beiläufig, doch rieb er sich unschlüssig die Handflächen aneinander, was sonst eine Geste war, die Bela ständig zeigte, wenn er nervös war.
Jener wollte erst abwehren, lies seinen Blick dabei über Jan schweifen, die langen, wippenden Beine hinauf, bis zu den eleganten Fingern und als der Größere sich am Kopf kratzte auch in sein Gesicht, wo ein leichtes Lächeln die schmalen Lippen zierte.
Bela nickte beinahe ergeben, erwiderte mit einem schüchternen Grinsen.
Also verschwand Jan kurze Zeit, um dann mit einer Kanne und zwei Tassen wieder zu kommen. Der Duft von Pfefferminz stieg dem Schwarzhaarigen in die Nase und löste Impressionen aus, die ihn wieder erinnerten an eine Zeit, die gar nicht so lang zurück lag, wie er glaubte. Doch diesmal war es anders. Die Bilder beruhigten ihn, stellten ihn zufrieden und schienen seinen Horizont zu erweitern, statt ihn einzuschließen.
Einen leisen Dank murmelnd nahm er die Tasse entgegen, um Jan dabei zu beobachten, wie er erst zu überlegen schien, sich dann aber neben ihn sinken lies.
„Du wolltest mit mir reden.“ Begann Bela vorsichtig und der Blonde stellte seine Tasse wieder ab.
„Ja, da hast du Recht.“, nun blickte er auf, direkt in Belas fragendes Gesicht.
Der Ältere war nun um einiges sicherer und fühlte sich, für ihn überraschend wohl in seiner Nähe. Nun holte sein Gegenüber Luft, gleich einem Redner, der sich alles zurecht gelegt hatte, aber bei dem es nun an der Zeit war, aus sich heraus zu sprechen.
„Ich hatte nach Sylt das Gefühl, dass diese Zeit mit Die Ärzte“, er schien bewusst nicht Bela persönlich zu erwähnen, „für mich zu Ende ging. Das da was Neues war, ein ganz anderer Abschnitt und vorerst hat das auch funktioniert, ich konnte ohne Weiteres mit King Kong auf die Bühne, konnte jeden Spruch ignorieren, der irgendwas mit meiner alten Band zu tun hatte.
Aber ich hatte so was... fast so ne spirituelle Erfahrung, kontroverser Weise ist mir die im Fußballstadion passiert, obwohl ich Depp Jones schon oft genug gehört hatte und auch alte Ärzte-Songs mich immer wieder auf Partys heimsuchten. Aber dann haben die im Stadion von St. Pauli in der Halbzeit plötzlich Westerland gespielt, da, wo das keiner erwartet... und da hab ich gemerkt, so was schaff ich nie wieder...“
Bis jetzt hatte Bela ihm still gelauscht, seine Eindrücke fast nach erlebt und er setzte an etwas zu sagen, doch die Worte fehlten ihm vollkommen.
„Und dann hab ich diesen Brief geschrieben, weil ich in der Zwischenzeit noch etwas ergründet hatte, nämlich dass ich es allein nicht schaffen kann. Das nur wir beide so was bewegen können, verstehste.“ – Bela verstand.
Aber er verstand nicht nur was er sagte, er verstand auch, was er sagen wollte. Die alte Verbindung schien sich plötzlich zu materialisieren. Nun, da er diese Gewissheit hatte, machte er einen entscheidenden Schritt, oder viel mehr rückte er einen Schritt, so das sie kaum ein Zentimeter noch trennte und hob Jans Gesicht an, dessen Blick sich längst auf den Teppich gewand hatte. Schon mit Blicken schienen sie sich nun wieder zu verstehen, doch trotzdem versuchte Bela noch einmal, sich auszudrücken.
„Du meinst, wir gehören zusammen.“
3
Ohne noch auf weiterführende Worte von Bela zu warten hatte Jan sich nach vorn gebeugt, Fäden gesponnen und ihn gefangen gehalten. Doch dieses verführerische Puppenspiel reizte den Älteren und er lies sich darauf ein.
Seit langem spürte er die entschlossenen schmalen Lippen auf seinen.
Er glaubte nicht, dass es gut war, was sie taten, was er zuließ, doch sein Verlangen pulsierte längst in seinem ganzen Körper. So auch in seinem Kopf, wo es die Vernunft gründlich zermalmte und von Sekunde zu Sekunde rann sie dahin.
Zeit zum Hinterherwinken fand er nicht, lenkten ihn die eleganten Hände doch ab, als Jan, er schien nicht aus der Übung zu sein, mit wenigen geschickten Griffen seinen Oberkörper entblößte.
Nur er schien in den hellen Augen Gefühle ablesen zu können, erkannte neben der Gier auch eine gewisse Nervosität, die sich doch nur dort auszudrücken schien, so sicher wie seine Bewegungen blieben.
Der Schwarzhaarige lächelte ihn an, umschloss mit zitternden Händen die blassen Gesichtszüge und ihre schmerzenden Lippen pressten sich erneut aneinander.
In diesem Moment hielt Jan nichts mehr, er lag auf ihm, wand sich auf dem nackten Körper und Bela stöhnte, halb in Sehnsucht, halb ob des schürfenden Jeansstoffes.
Der Blonde war sich seiner Wirkung auf Bela wieder voll bewusst geworden.
Nun lächelte er inne haltend und sah offen in das vor Erregung auch im halb dunkel gut erkennbar gerötete Gesicht.
„Du bist wie früher...“
Es dauerte einen Moment, bis diese entscheidenden Worte durch die purpurne Wolke gedrungen waren, die den Schwarzhaarigen umgab. Jene wich aber schlagartig der Klarheit, als er verinnerlicht hatte, was Jan meinte. Auf sein Gesicht trat Nüchternheit.
Nein.
Bela richtete sich auf, so dass der Blonde wiederwillig bis auf das Sofa zurück sank.
Aus seinem Blick sprach nun Verwirrung, wusste er doch nicht...
Sein ehemaliger Schlagzeuger, der ihm bis eben noch so leidenschaftlich, so hoffnungslos verfallen war, saß nun, vollkommen entblößt vor ihm. Doch keine Spur mehr von Feuer, Sehnsucht.
„Nein.“
„A...Aber-„
„Nein, Jan“ und seine Augen wurden hart.
Er stand vollends auf, begann mit ebenso schnellen Griffen sich anzuziehen, wie Jan ihn ausgezogen hatte. Sein Ziel war ein anderes.
„Du weißt, dass nichts mehr ist wie damals. Es wird nie so wie früher sein, auch wenn du dir das wünschst.“, der Drummer wurde lauter.
„Deine Entscheidung ist nicht rückgängig zu machen. Was meinst du, wie ich mich fühle, bei dem was du hier abziehst? Erst werde ich dir überdrüssig und als King Kong scheitert kommst du wieder angekrochen??? Ich bitte dich! – „
Eine bebende Hand packte Bela am Kragen, die andere Schlug mit voller Wucht zu.
Stumm wandte der Kleinere den Kopf zur Seite, hing ob des Größenunterschiedes halb in der Luft.
„Endlich bist du still.“
Ihre Augen trafen sich, dann zog Jan seinen Blick zurück.
„Glaubst du, dass war alles so einfach für mich? Denkst du ich hab das alles nur gemacht, weil es mir damit besser ging?“
Der Schwarzhaarige blickte ihn prüfend an, sagen wollte er nichts mehr, nickte aber.
Darauf lächelte Jan düster.
„Natürlich ist es mir leicht gefallen. Natürlich ging es mir danach besser. Ich musste dich nie wieder sehen. Nicht, wie du dich jemand anderem hingibst. Musste dich nicht mehr vertrösten, wenn es einmal nicht funktioniert hatte. Das war unglaublich für mich, endlich konnte ich mich um mich selbst kümmern.
Und dabei vergaß ich völlig, was du mir für diese Hilfe immer zurück gegeben hast.“
4
Belas Füße berührten den Boden und wie Jans Hände sanken, so hob sich sein Blick, auch wenn es ihm schwer fallen musste.
„Es tut mir Leid, Dirk.“
Die Stimme des Jüngeren hallte leise in seinen Ohren weiter.
Er hatte selten, nein noch nie erlebt, dass sein Gegenüber sich so kompromisslos die Blöße gegeben hatte.
Es war ihm also ernst.
Und so sehr Bela bis eben noch die Schmerzen antrug, die ihn über die Jahre nur beschwerlich verlassen hatten. Er konnte nicht umhin, sich selbst hinten anzustellen.
Die Bindung an Jan war ihm zu wichtig.
Sehr langsam nickte er, lehnte sich an den großen Blonden, der wenige Zentimeter vor ihm stand.
Er spürte erneut den rauen Jeansstoff gegen seine nackten Beine reiben, bis dahin hatte er nur seine Shorts wieder angezogen, sein offener Hosenbund lagerte in den schmalen Kniekehlen.
Leise seufzend registrierte er, wie sich nun auch die langen Arme Jans wieder zögerlich um ihn schlangen, sich auch die sanfte Stimme etwas zitternd wieder erhob, als er ihn streichelte.
„Willst... willst du...“
Wie um seine unverständliche Frage zu untermalen strich eine der großen schmalen Hände den Rücken des Schlagzeugers hinauf, der Blickkontakt bestand dabei wieder und Bela fröstelte unweigerlich etwas.
Ein zitterndes Grinsen schlich sich auf seine Lippen und mit einem Handgriff sanfter Gewalt drückte er nun wiederum den Blonden auf das Sofa, lehnte sich gierenden Blickes über ihn und bis beherzt in seinen sanftzügigen Hals.
Sofort entrann der trockenen Kehle ein leises Keuchen, als hätte der Kleinere direkt die Schlagader getroffen, doch nicht zuletzt vor Überraschung ob Belas plötzlicher Entschlossenheit.
Doch der Schwarzhaarige führte das Spiel unangefochten weiter, lies bald eine kalte Hand unter den etwas zu weiten Hosenbund von Jans grausam rauen Jeans gleiten.
Da jener weiterhin nur die Luft anhielt und ihn mit ein wenig unkoordinierten Bewegungen kraulte, wurde er sicherer, schien er doch nichts verlernt zu haben.
Nun streiften zwei Paar Hände parallel zueinander die Shorts des jeweils anderen von ihren bebenden Hüften, so geschickt, dass sie nahezu sofort und ohne Worte zu einem Einzigen wurden.
Euphorisch warf der Blonde den Kopf in den Nacken, als Bela seine Hüfte anhob um vollends in ihn einzudringen und der Schlagzeuger zuckte kurz schmerzerfüllt, als die schlanken Finger sich in seinen ohnehin längst zerschundenen Rücken bohrten.
Bald war jedoch aller Schmerz vergessen und in dieser Nacht spürten sowohl Bela als auch Jan, dass etwas zu ihnen zurück kehrte, was lange gefehlt hatte.
Das matte Sonnenlicht des erwachenden Morgens über den regennassen Dächern der Hauptstadt warf ein fahles Licht auf Belas nackte Beine, als er sich einige Stunden später die wärmende Decke vom Körper schob, unter der er bis eben seelenruhig geschlafen hatte.
Ein kühler Luftzug streifte bald die stickige Zimmeratmosphäre, denn der Kleinere war mit wenigen, wenn auch etwas wackeligen Schritten an das Frontfenster der Wohnung getreten.
Er spürte im Nacken, wie Jan sich unter der nun selbst für den blonden Hünen etwas zu groß wirkenden Decke wand. Er fror wohl.
Sich mit dem Rücken an das hoch gesetzte Fensterbrett lehnend, beobachtete Bela die langsam auf flatternden Lider des Jüngeren.
„Schon wach...?“ gähnte jener einige Minuten später etwas heiser und der Schlagzeuger nickte lächelnd.
„Morgen.“
Sanft schlangen Jans müde Arme sich um seine Hüfte und er zitterte kurz, ob den brennenden Schürfwunden, die sich, durch den Schauer gereizt, wieder bemerkbar machten.
„Ich konnt´ nicht mehr schlafen, ohne dich...“
Ein Blick in die hellen Augen verriet Bela, was er sagen wollte. Doch er erwiderte das liebevolle Lächeln nur schwach, hatten ihn doch vor Stunden schon wieder Bedenken aus seinem glückseligen Zustand gerissen.
Leise seufzend umfasste er die schmalen Handgelenke und schob sie mit sanfter Gewalt von sich. Ein verständnisloser, fast ängstlicher Blick traf ihn.
„Was machst du?“ hörte er Jan leise flüstern, wie ein kleines Kind, dass aus einem Albtraum erwachte und nicht allein sein wollte und beugte sich besorgt weiter zu ihm hinunter.
„Ich muss nach Hause.“
Er beobachtete mit etwas schwermütigem Blick, wie Jans Mine sich veränderte und wusste, dass dieser nach einer Ausrede suchte.
„Bleibst du wenigstens noch... zum Frühstück?“
Der Blick des Größeren glitt in einen leise flehenden Ausdruck, der ihm zeigen sollte, wie sehr er ihn bei sich haben wollte und einen Moment später lies Bela resignierend die Schultern sinken.
„Wie könnte ich anders...“
Sofort überflog die schönen schmalen Lippen ein erleichtertes Lächeln und Jan verschwand, seine Sachen noch aus dem Klamottenhaufen fischend, in seinem –sicher sehr viel ordentlicheren- Schlafzimmer.
Ein paar Minuten blieb Bela einfach mitten im Raum stehen, lies noch einmal die ganze Nacht revue passieren und fand sie noch immer so unwirklich, obgleich er sich in jeder Situation wieder fand, jede Berührung noch auf seiner Haut brannte.
Zufrieden in sich hinein lächelnd umschloss er die Oberarme mit seinen wärmeren Händen und streifte dann sein Muskelshirt und die zerrissene Jeans wieder über.
Sich dann die strähnigen langen Haare etwas zurück streichend, begann er, in Jans Wohnzimmer etwas Ordnung zu machen. (Wie er auf eine derart absurde Idee kam, wusste er nicht.)
Minuten lang füllten Schmeicheleien und Geständnisse das Ohr des Kleineren. Er genoss, wenn er es sich eingestand, die zarten Ausdrücke, mit denen Jan ihm seine jahrelange Sehnsucht zu Füßen legte, wie sehr dieser stolze blonde Halbgott sich nach ihm verzehrte.
Und er wusste seit geraumer Zeit, dass diese Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten.
Langsam löste er sich aus der innigen Umarmung in der Jan ungewollt vereinnahmend versuchte, ihn bei sich zu behalten und trat über die Schwelle hinaus in den Flur vor der Wohnung des Blonden. Besagter Hüne stand im Türrahmen und sah ihn furchtbar verliebt an.
Bela lächelte, „Also dann...“
„Warte!“, der Größere schaute besorgten Blickes nach draußen, wo dicke Regentropfen gegen die Scheiben trommelten und jegliche Sicht versperrten. Ohne auf Einspruch zu warten, legte er Bela seine geliebte schwarze Lederjacke um die Schultern, der nur in Shirt und Jeans zu ihm geeilt war.
„Du wirst doch sonst total nass...“
Bela grinste in das unschuldig dreinschauende Gesicht, hauchte ihm noch einen zärtlichen Kuss auf und sprang, in einem Anflug von Glücksgefühl und drei Stufen auf einmal nehmend, die steinerne Treppe hinunter. Und er wusste, diesmal würden sie sich wiedersehen.
5
Mit weichen Knien ließ Bela sich, wie schon einige Stunden zuvor, an der Wand im Flur seiner spärlich eingerichteten Wohnung sinken und streckte die Beine von sich.
Noch immer umspielte ein sanftes Grinsen seine scharfkantigen Gesichtszüge und er atmete flach, hatte das Gefühl, den ganzen Weg gerannt zu sein. Seufzend schloss er die Augen und gab sich einen Moment seinem auf Dauer schon irgendwo krank wirkenden Glücks hin.
Da weckte ihn eine etwas belegte, aber weiche Stimme ihn aus seiner Trance:
„Felse?“
Bela öffnete langsam die Augen und lächelte noch, bis er den mit zerknitterter Jeans und Shirt bekleideten Rod im Türrahmen zur Küche stehen sah. Sofort machte sich ein unangenehm bleiernes Gefühl in seiner Magengegend breit. Ähnlich einem großen Bruder, der seine Verantwortung vernachlässigt hatte, doch Rod wollte sich entweder nichts anmerken lassen, oder war tatsächlich doch auch ganz gut ohne Bela durchgekommen.
Jener erhob sich langsam und folgte dem Jüngeren auf ein Nicken in die kleine Küche, die im Vergleich zum Rest der Wohnung recht gemütlich und übersichtlich war.
Der Schwarzhaarige blickte auf einen reich gedeckten Frühstückstisch und sah etwas perplex zu, wie Rod den dampfenden Kaffee eingoss und frischen Toast mit Marmelade bestrich, nach dem er sich gesetzt und auch die zweite, offenbar für Bela gedachte Tasse gefüllt hatte.
Erst als er von seiner ersten Tagesmahlzeit aufsah, schenkte er dem Älteren wieder einen einladenden Blick unf jener setzte sich zögernd neben ihn an seinen Tisch.
Fragend dreinschauend unf mit vollem Mund hielt sein Ex-Gitarrist ihm den gefüllten Brotkorb unter die Nase.
„Hm?“
„Sorry...“, nuschelte sein Gegenüber und nahm ihm den Korb ab, um besagten neben sich zu platzieren. Sein Blick war längst starr auf die Tischdecke gerichtet:
„Ich hab schon gegessen.“
Mit schuldbewussten Augen sah Bela auf, sah in ein erst verwundertes, aber dann amüsiertes braungebranntes Gesicht.
„Noch mal der Curry-Bude um die Ecke nen nächtlichen Besuch abgestattet oder wie?“
Obwohl Rod immer noch leichtfertig grinste, schoss Belas Blut nahezu vollständig in sein Gesicht und er blinzelte peinlich berührt wieder hinunter, diesmal auf seine Finger, die nun, ob des Blutverlustes zwar verdächtig bleich waren, aber angestrengt miteinander rangen.
Dabei rutschte einer seiner Ringe aus seinem Griff und er bückte sich gerade hastig danach unter den Tisch, als eine andere Hand vor ihm das mit Toten köpfen verzierte Schmuckstück zu fassen bekam. Sein Körper wurde taub und er hatte den leisen Verdacht, dass das passierte, weil nun auch endgültig alle Blutreserven in seinen Kopf hinauf rauschten und dort ein gewaltiges Chaos hinterließen. Knallrot angelaufen und sich nicht rührend hockte er also unter der niedrigen Spanplatte und blickte in das Paar tiefschwarzer Augen.
So unendlich dunkel. Ganz anders, als Jans.
Sekunden später wollte er sich selbst für diesen Vergleich bestrafen, doch ihm blieb dazu kaum Zeit, da Rodrigo nun sein schmales Handgelenk ergriff und den körperlich unfähigen Bela an sich zog, um ihm den Ring anzustecken.
Die Stirn des Älteren lag an seiner weichen Halsbeuge und hätte er sich irgendwie bewegen können, hätte er eine panische Nummer abgezogen. Oder wäre wenigstens geflohen.
Doch nichts.
Nachdem seine vollständig beringte rechte Hand tatenlos zu Boden gesunken war, strichen die sanften spanischen Finger seinen durchgebeugten Rücken hinab. Als sie kurz über seinem Ledergürtel die frei gewordene Haut hinab strich, verlies das Blut langsam Belas Kopf, schoss aber bedenklich schnell in dessen Lenden.
Rasch glitt eine von Rods Händen nun in die Jeanstasche des Älteren und Bela schloss kurz die zitternden Augenlider, unterdrückte nur schwer ein zwanghaftes Keuchen, auch wenn es, wie er sich eingestehen musste, von seiner wachsenden Erregung ausging.
So schnell, wie dieser Moment jedoch da gewesen war, so schnell schob Rodrigo ihn wieder hinunter von seinen Oberschenkeln. In der Hand hielt er nun einen etwas in Mitleidenschaft gezogenen Zettel. Um genau zu sein waren es zwei Bögen vollgeschriebenen Papiers, zwischen dessen Zeilen – wohl nur für Bela sichtbar – die emotionalen Ergüsse Jans Platz fanden.
Dem Schwarzhaarigen fielen einige Strähnen ins Gesicht, als er nachdenklich den Kopf senkte. Sollte er seinem besten Freund davon erzählen?
Er war unschlüssig, hatte er sich doch mit Jan eigentlich auf den Punkt geeinigt, dass beide Seiten erst einmal die Klappe hielten.
„Du hast Jan wieder getroffen, oder?“
Bela atmete leise durch, dann sah er den Chilenen wieder offen an. Warum sollte er sich auch dafür schämen, Rod wusste momentan nichts von der wieder aufblühenden Beziehung zu seinem blonden Gitarrengott.
„Ja. Ich war gestern Nacht noch bei ihm, als du längst geschlafen hast.“
Momentan blieb der Dunkelhaarige wohl auch recht ahnungslos.
„Schön, dass ihr euch wieder blicken lasst.“
„... ja ... ´“, nun schloss Bela gänzlich die Augen und lächelte beschwingt:
„Ja, das ist echt schön.“
6
Die nächsten Wochen sollten für Bela und Jan die aufregendsten seit langem werden. Immer wieder trafen sie sich heimlich, um ihre Zukunftspläne unter vorgehaltener Hand zu schmieden, wenn das Eisen auch noch so heiß war.
An einem dieser Abende trafen sie sich auf dem Dach eines alten Einkaufszentrums. Es war jenes Kaufhaus, in dem sie vor Jahren den von ihnen liebevoll „schrecklichsten Heimatfilm ever“ getauften schlecht produzierten Streifen „Richy Guitar“ gedreht hatten.
Der letzte Abend des Sommers 1992 war verweht und mit gedankenverlorenem Blick folgte Bela einem Flugzeug, dass die sonnenschwärmenden Urlauber weit von hier fort trug.
Noch vor einigen Monaten hatte er oft davon geträumt einfach aus dem frisch wieder vereinigten Deutschland zu verschwinden. Hinaus aus der Umwelt, die ihn an alles in seinem bisherigen Leben erinnert hatte, doch nie war genug Geld und Mut aufzutreiben gewesen. Etwas selbstspöttisch kuschelte der schmächtige Schwarzhaarige ich in die Lederjacke seines Freundes, vergrub sehnsüchtig seine Nase im Innenfutter.
Nie mehr würde er dieses Stück hergeben, dass eigentlich nicht anders als seine eigene Motorradjacke war. Aber erstens fasste sie zwei Nummern mehr. Und zweitens...
Der Kleine schloss die Augen. Sein Lächeln wurde sanft.
Zweitens hatte die Tatsache, dass dieses Leder viele Stunden Jan Vetters Haut geschützt hatte, sie zweifellos und wenigstens für Bela in Unsummen aufgewertet, das reichte vollkommen aus. Minutenlang stand er einfach so da und spürte die letzten brennenden Strahlen der untergehenden Sonne auf seinem Gesicht. Plötzlich aber, und nahezu genau dann, als die Nacht sich über den Himmel ausbreitete und auch dem letzten Rotschimmer getrotzt hatte, riss ihn ein leises Knattern aus den tiefgehenden Gedanken. Es wurde stetig lauter und hallte im Inneren der Auffahrt wieder, die sich schlängelnd bis auf den Dachparkplatz zog. Schon bald darauf blendete den Sänger, der sich zu dem schlecht beleuchteten Tunnel gedreht hatte, ein Scheinwerfer, der nur noch einen Lenker im Dunkel zu erkennen gab.
Der Fahrer hielt wenige Zentimeter von ihm entfernt an und verharrte einen Augenblick.
Vielleicht war er überrascht, dass Bela ungerührt auf der Fahrbahn stehen geblieben war und ihm einfach zu lächelte. Jener hatte sich aber sehr einfach zusammen zählen können, wer das auf Hochglanz polierte Radgestell lenkte.
Der große Blonde hob seinen Helm vom Kopf und grinste den Kleineren breit an.
„Du wusstest, dass ich es bin?“
Ein amüsiertes Lächeln zog sich nun auch über die Lippen Belas, während er beobachtete, wie sein Gegenüber sich aufrichtete und genüsslich streckte.
„Wer sonst verliert sich um so eine Zeit hier her...“
“Außer zwei sentimentale alte Säcke wie wir?“
Stumm standen sie eine Zeit so da, bis Jan sich der Verlockung nicht mehr entziehen konnte und den Kleineren in einen leidenschaftlichen Kuss nahe an sich zog. Obwohl ihre Lippen so sanft aneinander pressten, sie sich gegenseitig so viel Vertrauen entgegen brachten, spielten ihre Zungen miteinander, als wäre es ihr erster Kontakt. Der Blonde bemerkte, von besagtem Kuss gebannt, nicht, wie sein Drummer ihn mit kleinen gezielten Schritten, die Armte ruhten längst weiter oben im Nacken, in Richtung der letzten halbwegs erhaltenen Bank buchsierte.
Als seine Kniekehlen schließlich gegen das raue Holz stießen und er nach hinten fiel, Bela einfach mit sich ziehend, unterbrach er den gegebenen Zungenkampf. Der Kleinere landete nun gnadenlos breitbeinig auf dem Schoß des Gitarristen und sah verlegen grinsend auf. In seinem Gesicht zeichnete sich, der Dunkelheit zum Trotz, ein leichter Rotschimmer ab.
Zu seiner Überraschung blickte jedoch keines der berühmten breiten Grinsen Jans auf ihn hinab. Viel mehr schien der blonde Hüne unter ihm verträumt, ähnlich einer Trance, die er nur aus den Augen von Junkies kannte. Bei dem Gedanken leicht lachend betrachtete er ihn und gerade als er fragen wollte, ob denn alles in Ordnung sei, tastete sich eine schmale Hand seinen Rücken hinauf, packte ihn leicht im Genick und zog seinen Kopf eng an die eigene Stirn.
„Ich liebe dich, Dirk, weißt du das?“ – Der große Knall.
Eine Explosion seiner Gefühlswelt durchwühlte die Innereien Belas und die Rührung, an dieser Stelle eine sehr Zweideutige Bezeichnung, trieb ihm schlagartig schwere Tränen aus den Augenwinkeln und er musste stark blinzeln um sie zurück zu halten. Sofort warf er sich in eine emotional überschäumende Umarmung mit dem stumm lächelnden Blonden.
„Ja, das weiß ich...“
7
Sich ein langleidiges Seufzen nicht verkneifend lehnte Bela sich auf dem Stuhl zurück, auf dem er bereits seit einer halben Stunde mit mehr nassen als trockenen Haaren stillsaß, während sein Gitarrist mit kritischem, fachmännischem Blick um ihn herum Schritt, hier und da eine Strähne der dicken schwarzen Haare radikal bis zur Schulter kürzend.
„Meinst du nicht das wir erst mal ne Plattenfirma suchen sollten?“
Farin hatte wieder einen Schritt auf ihn zugemacht und zog eine Strähne bis zur Mitte der Stuhllehne, überlegte, wie weit er gehen sollte. Schließlich mochte er die langen Zotteln an Bela ja...
„Ach und mit welchem Standpunkt? Beste Band der Weilt sucht Plattenfirma?“
Er lachte schon, als er den scherzhaft gemeinten Vorschlag begann.
„Na klar, das beste Duo der Welt, oder?“
Mit einem fragenden, kindischen Blick legte der frisch geschorene Drummer den Kopf in den Nacken und sah Farin an. Der Größere verdrehte die Augen und tippte ihm gegen die Stirn.
„Du weißt doch, dass wir beide eher ein unvollständiges Terzett ergeben. Die Ärzte werden immer nur drei sein können.“
Erneut seufzend und eine Schmolllippe ziehend lehnte Bela sich wieder nach vorne.
„Dann nehmen wir eben deinen alten Gitarristen.“ – „Flo???“
Der Ältere musste sich nicht einmal umdrehen um sich das verwirrte Gesicht vor Augen führen zu können und grinste leicht.
„Klar, Bass kann doch jeder Idiot spielen!“ , sofort erntete er für diese Bemerkung eine Kopfnuss.
Nach einer längeren Konversation, während der den unzertrennlichen, fusseligen Strähnen auf Belas Kopf immerhin eine recht charmante Wuschelfrisur entwachsen war, verabschiedete sich jener mit dem Auftrag, ein Treffen zwischen Farin und Rod zu arrangieren, in der Hoffnung, aus seinen beiden Freunden könnten Bandkollegen werden.
Doch noch auf dem Weg zurück zu seiner Wohnung, er entschied sich, zugunsten der Vorplanung zu Fuß zu gehen, plagten ihn Bedenken. Letztendlich wusste er, was für ein Genie sein chilenischer Freund auf musikalischem Gebiet war und er ging fast sicher, dass eben jene Tatsache sich nicht mit dem Gitarristenstolz Farins vereinbaren ließe.
Mit gemischten Gefühlen betrat Bela also einige Stunden später eine der unzähligen Kreuzberger Bars. Da es noch verhältnismäßig früh war, wunderte es ihn nicht, das kaum ein Tisch besetzt war, das machte es ihm nur leichter, Rod zu finden.
Suchend ließ er seinen Blick von links nach rechts schweifen um dann zielstrebig in den hinteren Teil des schäbigen, angekratzten Hauses zu gehen und den Jüngeren an einem der Billardtische zu finden, wo jener schon wartend seinen Queue in den Händen drehte.
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„Ich hoff mal du hast nicht so auf ihn abgefärbt. Von wegen Pünktlichkeit und so...“
Farin schlang erneut seinen Arm um Belas Bauch und schaute eher halbherzig interessiert über dessen Schulter hinaus in seinen Garten und auf die nahezu unbefahrene Straße davor. Der Schwarzhaarige lehnte sich schmunzelnd gegen den Fensterrahmen und schüttelte leicht den Kopf.
„Nee... der is irre pünktlich... sogar auf Koks is der pünktlich.“
Der Blonde verdrehte leicht die Augen, schmiegte seine Nase in den noch untätowierten Nacken und ließ seine Fingerspitzen unter das schwarze Shirt gleiten, welches zur Abwechslung einmal mehr als ein Fetzen war. Er verwöhnte zärtlich den Bauchnabel des Kleineren, während die einfachen Berührungen an seinem Hals zu Küssen wurden. Bela seufzte leise und genüsslich, drehte sich langsam in der Umarmung und legte leicht den Kopf schief, denn Farin hörte nicht auf, ihn zu liebkosen, zog nun eine sanfte Kussspur über das linke Schlüsselbein des Drummers bis an seinen markanten Kehlkopf, der leicht vibrierte, als der Kleinere ganz automatisch begann, zu schnurren.
Er fühlte sich längst wieder so verfallen, dass er nicht mehr im Stande war, sich zu wehren. Doch plötzlich hielten die streichelnden Hände und Lippen auf seiner Haut inne und Bela murrte leise. Dann erfüllte ein unheilvolles Motorknurren und ein Quietschen von draußen die Luft. Der Kleinere verstummte sofort und Farins Finger um seine Hüfte verkrampften sich.
„Er is da...“
„JA! Und wie!!!“
Ehe der Drummer sich versah, war Farin verschwunden, vernahm er Getrappel auf der Außentreppe, dann sprang der große blonde Mann, es war ein bizarres Bild, vor Rodrigos Wagen herum wie ein wildgewordenes Rumpelstilzchen.
„MEIN RASEN!!“
Bela musste zuerst leicht grinsen, doch... Etwas machte ihm Sorgen, als sich die beiden in dem nun zerfurchten Vorgarten die Hand gaben. Sie lachten beide recht schnell wieder, aber in ihren Blicken las der Älteste Gefühle, die er nicht einzuschätzen vermochte und die ihm auf eine gewissen Weise Angst machten. Sie ließen ihn, wahrscheinlich unwissentlich, fürchten, dass er sich irgendwann zerrissen zwischen den beiden wieder finden würde, wenn er sich nicht rechtzeitig entschied.
Aber er hatte nicht geahnt, was wirklich passieren würde.
Denn es sollte nie so weit kommen, dass Farin und Rodrigo eifersüchtig aufeinander waren.
Der Blonde hatte ihn nicht mehr zärtlich berührt, der andere ihn nicht mehr sanft angesehen, keiner von beiden hatte ihn mehr in den Arm genommen oder gar geküsst.
Und eines Tages war er extra früher ins Studio gekommen, sie nahmen gerade „Planet Punk“ als zweites Erfolgsalbum und noch ohne Titel auf. Er wusste, dass Jan immer etwas früher da war und er musste mit ihm sprechen, denn zu dieser Zeit machte ihn das Bandklima krank...
Und als er dann sah, dass die beiden da waren, sich auf Belas altem Sessel, der nun im Aufenthaltsraum stand, rekelten und hemmungslos liebten, in der einfachen Sicherheit, dass Bela sowieso zu spät kommen würde, da hatte der Schwarzhaarige es gefühlt:
Sie hatten ihn, zumindest etwas in ihm, zerbrochen. Denn sie brauchten ihn nicht mehr, weil sie sich, durch sein eigenes Zutun, gefunden hatten.
14 Jahre nach ihrem ersten Treffen stand er nun als Trauzeuge mit in der kleinen Kirche, beobachtete das Paar, erkannte die verdrückte Rührungsträne in Jans Augen, ob Rodrigo weinte sah er nicht. Er spürte, wie sein Mädchen seine Hand streichelte, versuchte von sich abzulenken. Das Entsetzen der anderen Hochzeitsgäste wäre doch zu groß gewesen, hätte er zu gegeben...
... dass er als einziger nicht vor Glück weinte. |
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Wer das ist. |
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.hat Geschichten im Kopf seit sie denken kann.
.schreibt sie nieder seit sie das Alphabet beherrscht.
.veröffentlicht sie seit das WWW den Wald erreichte.
.wartet jetzt mit einer kleinen Bibliothek online auf.
.hofft, dass dir ihre Prosa zusagt und du ihr eine Nachricht hinterlässt ;) |
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SCHNEE VON GESTERN |
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Gut. Vielleicht reicht es nicht, für bestimmte Wettbewerbe. Dann kann ich den Text wenigstens hier veröffentlichen. Wie gefällt euch HörenSagen? |
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Sonst irgendwo noch Wetterstationen? |
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getippter Text von heute Nacht |
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Martin saß seit Stunden da und starrte. Als er auf dem Weg zum Bus inne gehalten, das Telefon kaum geistesgegenwärtig wieder in die Innentasche seines Sakkos hatte gleiten lassen, war es gerade hell geworden. Jetzt spürte er den Schatten seiner eigenen Nase in seinem Gesicht, so hoch stand die Sonne. Die rundliche Spitze des niedrigen Pfeilers, auf dem er mit seinem über die Jahre immer dicker gewordenen Hintern lehnte, war kalt und ziemlich unbequem. Martin bemerkte das nicht. Er bemerkte auch nicht die alte Frau mit dem kleinen Hund, den 'jungen Mann' ansprach und fragte, ob er Hilfe bräuchte. In der Tat sah Martin vielleicht ein wenig danach aus. Es war einer der ersten Tage in seiner neuen Schale.
Obwohl er sich mittlerweile täglich rasierte, blieb das stoppelige, unausgeschlafene Gefühl in seinem Gesicht hängen. Auch in seinem neuen Leben blieben seine Augen, wie sie waren. Von roten Äderchen durchzogen, blutunterlaufen, ragten sie ein Stück zu weit aus den großen Höhlen hervor.
Er versuchte, regelmäßig seine Nägel zu schneiden, aber sie wurden niemals richtig schön. Er bekam das noch nicht hin, die Linie gerade krumm zu halten. |
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Noch was? |
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