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ein lied...

 von 2oo5

Ein Lied sagt mehr als tausend Blicke...
                                                             ...denn wenn du singst bin ich verloren.


Ich hasse dich...
...weil ich nicht weiß, was das soll.
 
 
Lauter als von Bela geplant landete das Buch in der Ecke des Proben-Raumes.
"Kannst du es einmal lassen während meiner und Rods Übungen ständig zu lesen?
Das macht mich echt noch mal krank. Wir hören dir doch auch zu!"
Die Worte schossen ungewollt laut und barsch aus seinem Mund, die Reaktion
sollte er auch prompt zu spüren bekommen.
Der Gitarrist funkelte ihn sauer an:
"Entschuldige der Herr, dass ich Kopfschmerzen habe!"
"Dann bleib doch einfach zu Hause, wenn's dir wirklich so dreckig geht!"
schnaubte der Dunkelhaarige zurück.
In den Augen der beiden schienen Blitze zu zucken, als Farin sich schnaubend
erhob, ohne den Blickkontakt ab zu brechen.
"Wenn du das sagst... Was ist eigentlich in letzter Zeit los mit dir???"
"Das würde ich gern von dir wissen!" fauchte Bela gereizt zurück, weitaus
weniger ruhig als sonst.
"Na gut, dann gehe ich eben!"
Damit drehte der Gitarrist sich auf dem Absatz um, riss seine Jeansjacke vom
Hacken und knallte die schwere schalldämmende Tür hinter sich zu.
Schwer atmend sah Bela ihm nach, wohl jetzt erst begreifend, was gerade passiert
war.
Langsam wandte er den Blick zur Seite und blieb bei dem einzigen Menschen
hängen, der noch im Raum war:
Rod sah verständnislos zwischen Bela und der Tür hin und her.
Nun schloss er den Mund betrübt, schon wieder war er mit Farin aneinander
geraten, obgleich es lange nicht mehr so heftig gekracht hatte.
Der Bassist betrachtete ihn verwirrt.
"Was ist denn los gewesen? Ich dachte wir wollten Probe-Aufnahmen machen???"
Bela musterte ihn flüchtig, starrte dann jedoch wieder die Tür direkt vor sich
an.
"Wird wohl nichts mehr heute, sorry Rod!"
Mit diesen Worten lies er die Drumsticks in seiner Hand auf einen der
Marshall-Verstärker fallen,
"Schließt du zu?" fragte er nur nüchtern und verschwand, ohne eine Antwort
abzuwarten aus der Tür.
 
So blieb der Dunkelhaarige allein in dem gemieteten Kellerraum zurück.
Plötzlich trat dort eine eigenartige Stille ein, die für ihn sehr ungewohnt
war.
Seufzend hockte er sich neben die Drumsticks und holte aus seiner Tasche die
Schachtel Zigaretten und das Zippo.
Was war bloß in die beiden gefahren?
Das letzte Mal, dass sie sich am laufenden Band angezickt hatten war 1993
gewesen, als die Band sich gerade wieder vereinigt hatte, all die Jahre hatte
große Gelassenheit zwischen ihnen geruht, sicher war nicht immer alles so
glatt gelaufen, wie es in den unzähligen Interviews rüberkam, aber sie hatten
sich zeitweilig so blind verstanden wie Brüder, gar wie Zwillinge.
Sich nachdenklich an die Wand lehnende stieß er blauen Rauch in die Luft und
beruhigte sein Gemüt.
 
Außer Atem stützte er sich an eine der Trauerweiden des Parksees.
Er wusste nicht, wie er darauf gekommen war, aber joggen befriedigte seinen
erhitzten Kopf ungemein.
Das glaubte er zumindest, doch als er erschöpft mit dem Rücken gegen den Baum
lehnte und keuchend die Augen schloss, flackerte nur noch Belas Antlitz durch
seinen Kopf.
Erschrocken öffnete er die Augen, fasste sich verwirrt an seine vom kalten
Schweiß bedeckte Stirn.
Als er die Lider erneut zusammen fallen lies, stand wieder der selbe da, noch
immer mit dem üblichen Gesichtsausdruck, einem peinlich berührten Lächeln.
Farin konnte nicht anders und gab sich dem kleinen Tagtraum hin, grinste zurück
und streckte eine Hand nach ihm aus...
Doch er fasste ins nicht.
Das Antlitz des Schlagzeuger zerstob in winzige Scherben.
 
Farin schüttelte verwirrt den Kopf und beobachtete, um sich abzulenken das
frühe Treiben im Park.
Am anderen Ufer des Sees stiegen ein paar Enten aus dem Wasser, daneben machten
sich ein paar Tauben über stehen gelassene Burger her.
Sonst war dieser Ort menschenleer, dass wusste der Blonde mittlerweile sehr zu
schätzen und hätte ihn nicht bis vor ein paar Sekunden Belas Bild verfolgt,
wäre er wohl noch geblieben.
Doch er war jetzt zu verunsichert und machte sich, weiterhin im Jogging-Schritt
auf den Weg in sein Hotelzimmer.
 
Das Gitarrensolo dröhnte laut in seinen Ohren und er hörte schon jetzt das
fiepen, was heute Abend zurück bleiben würde, doch das störte ihn jetzt ab
wenigsten.
In den Rhythmus eingearbeitet schlug er auf den Boxsack vor sich ein, trat und
kickte so unfair es nur ging.
Als er nach ein paar Minuten verschnaufte und einen erschöpften Blick auf die
Wanduhr in seinem Trainingsraum warf, war es bereits 3 Stunden nach dem Streit.
Seufzend lies er die Boxhandschuhe zu Boden fallen und hockte sich auf die
Kühltruhe, leerte die inzwischen lauwarme Bierdose in einem Zug.
Mit einem Druck auf die Fernbedienung fuhren die Jalousien nach oben und die
heiße Mittagssonne flutete durch das Zimmer.
Bela blinzelte geistesabwesend gegen die untergehende Sonne und wollte gerade
die Anlage ausschalten, als das Lied endete und plötzlich eine sanfte
Gitarrenmelodie erklang.
Sofort erkannte er das Stück und entschloss sich festen Willens, sofort den
Saft abzudrehen, doch wie in Trance blieb er bei den Fenstern stehen, öffnete
eines und sah hinaus auf den öden Hinterhof.
Noch immer lief nur die Gitarre im Hintergrund, wurde jedoch bald zum
Begleiter, als eine sanfte, ungewohnt liebevolle Stimme ihren Einsatz fand.
Eine Stimme die er besser kannte als seine eigene.
Die Stimme, die ihm so unendlich viele verschiedene Gefühle entgegengeschickt
hatte.
Die Stimme, die das einzige nicht ausgesprochene Gefühl in ihm weckte.


In meinem Traum...
...warst du bei mir.


Er warf noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel und kämmte, während
er mit einer Hand über sein glatt rasiertes Kinn fuhr, mit der anderen durch
die rabenschwarzen Haare.
So viel wie ihn der Streit am Vormittag jetzt beschäftigt hatte, wollte er sich
in der Hamburger Innenstadt ein wenig Ablenkung verschaffen.
Leise trat er in den Hotelflur und schlich zum Fahrstuhl, immerhin war es spät
Abends.
Erst wollte er im dritten Stockwerk noch halt machen und Farn fragen, ob er
nicht auch noch Lust hatte, um die Häuser zu ziehen, doch überlegte er es sich
anders und bereitete sich mental auf eine Nacht unter falschem Namen vor, um
Stress zu vermeiden.

Der blonde Gitarrist saß in seiner Suite auf einem großen weißen Himmelbett,
die dunkle Akustikgitarre auf dem Schoß und versuchte krampfhaft, an neuen
Songs zu arbeiten, doch nach einer Weile legte er das Instrument laut seufzend
bei Seite.
Erst jetzt viel ihm auf, wie sehr ihn dieser konfliktgeladene Tag gestresst und
ermüdet hatte.
Statt sich weiter auf seine Arbeit zu konzentrieren lag er mit dem Gesicht zur
Decke da und schloss langsam die Augen...

Eine leichte Brise wehte ihm schon in den Ohren, als er zur Besinnung kam.
Doch erst als Farin sich aufrichtete, bemerkte er, wie sich seine Umgebung
plötzlich gewandelt zu haben schien.
Der helle Sand knirschte unter seinen Bewegungen, ein paar Meter von ihm
entfernt rauschten Meer und Palmen in einem Takt:
Er war an einem wunderschönen Strand.
Direkt neben ihm lag noch ein Handtuch und gerade als er sich fragte, wem es
gehörte, denn weit und breit war niemand zu sehen, stieg die Antwort aus dem
Wasser.
Die dunklen Haare klebten an seinem nassen Kopf an, so dass er sie nur ein paar
mal nach hinten streichen brauchte, um nach dem typischen Vampir auszusehen.
Doch die sonnen-gebräunte Haut, überzogen von Tattoos, belegte genau das
Gegenteil.
Erschöpft und doch in gewisser Weise stolz und anmutig stapfte Bela zu seinem
Handtuch.
"Na, doch schon wach, Herr Vetter?" grinste er breit und beugte sich ein wenig
zu ihm hinunter, so dass Meerwasser auf Farins aufgeheizten Körper tropfte.
Dieser spürte, wie sich leichte Wogen in seiner Magengegend auftaten,
überdeckte das jedoch mit seinem charmantesten Grinsen und nickte stumm.
Bela lies sich auf sein Handtuch fallen und lehnte sich nach hinten.
"Auf zum fröhlichen Kampf-bräunen!" er setzte seine Sonnenbrille auf.
Farin wollte eigentlich zurück grinsen, doch ihn beschäftigen noch immer die
schimmernden Wassertropfen auf Belas Brust und Bauch, die langsam zu Boden
flossen.
Er schluckte hart und schob hektisch seine Sonnenbrille nach oben, aus Angst,
sie könnte von seiner Nase rutschen.
Damit machte er jedoch den Schlagzeuger wieder auf sich aufmerksam, der ihn nun
genauer musterte.
"Ach du Scheiße..."
"Hm???" war das erste, was der Blonde heraus brachte.
Augenblicklich starrte er an sich hinunter und entdeckte, was Bela damit
meinte:
Sein gesamter Oberkörper inklusive der Beine war völlig versengt von der
Hitze.
"Verdammte Scheiße, Totalsonnenbrand!" stellte er fest, als sich heraus
stellte, dass auch sein Rücken krebsrot geworden war.
Genervt lies Farin sich zurück auf das Handtuch fallen, was er im nächsten
Moment vor Schmerz schreiend bereuen sollte.
Vor sich hin fluchend drehte er sich mit dem Rücken zu Bela und versuchte, von
Peinlichkeiten überwältigt, wieder einzuschlafen.
Plötzlich jedoch spürte er, wie Bela neben ihm kniete und sanft seine
Schultern packte.
"Dreh dich mal mit dem Grinsen zum Boden!" forderte der Dunkelhaarige und Farin
konnte sein amüsiertes Gesicht förmlich spüren.
Ohne wirklich nachzudenken tat er, wie ihm geheißen und legte den Kopf auf
seine verschränkten Unterarme.
Erst als Bela zur Tat schritt wurde ihm klar, was der Schlagzeuger vor hatte.
Ohne zu zögern setzte der Ältere sich auf den Hosenboden von Farins
Badeshorts, der einzige Stelle seines Körpers die, weil mit Stoff bedeckt,
nicht höllisch brannte und begann, in langsamen Bewegungen
hautreizungslinderndes Öl auf seinem Rücken ein zu massieren.
Sofort stieg ihm noch mehr als ohnehin schon vorhandene Hitze in den Kopf und er
hoffte so sehr, dass Bela das Blut, was ihm ins Gesicht schoss nicht von seinem
Sonnenbrand zu unterscheiden vermochte.
Und er hatte Glück, der Dunkelhaarige reagierte nicht auf ihn, sondern
massierte konzentriert Nacken und Achseln.
Er ging dabei mit ungeahnter Sanftheit vor und drehte sich nach einer Weile
anders herum.
Bela begann, Farins Waden einzureiben und arbeitete sich dann langsam bis zur
Kniekehle vor doch als er dann die verbrannten Oberschenkel berührte, durchfuhr
Farin ein plötzliches Kribbeln, dass schon beinahe wehtat.
Noch nie war er so hin- und hergerissen zwischen Entspannung und Erregung.
Er wäre gestorben vor Errötung, da war er sicher, hätte Bela nicht plötzlich
auf so typisch leicht spöttelnde Art das Schweigen unterbrochen:
"So was kriegst auch nur du hin... bin fertig, kannst dich umdrehen!"
Damit stieg er von Farin hinunter und hockte sich erneut neben ihn in den Sand.
Vorsichtig, darauf bedacht, die gereizte Haut nicht zu sehr anzustrengen setzte
er sich, sich auf die Handflächen stützend auf.
Wie durch fremde Hand gesteuert sah er plötzlich in Belas tief grüne Augen,
deren eigentliche Farbe er nie zu bestimmen vermochte, da sie sich mit seiner
Stimmung zu ändern schien.
Wenn er ruhig und melancholisch war, dann verschwammen sie in einem nebligen
graublau, aber sobald er wütend wurde oder sich aufregte leuchteten sie hell
und giftgrün.
Farin begann unbewusst, sein Gegenüber eindringlich zu mustern.
Eine Weile verfolgte er letzte Wassertropfen, die vom Haaransatz über die
Schläfen und Wangen bis zu seinem Kinn flossen um sich von dort zu lösen und
im feinen Sand unter ihm zu landen, doch letzterem Vorgang schenkte er nicht
sonderlich viel Beachtung, hatten ihn doch nun die feinen, nass schimmernden, zu
einem der schiefen, verträumt wirkenden Lächeln verzogenen Lippen in ihren
Bann gezogen.
Eine Welle von Krämpfen durchzog seine Magengegend, er begann unmerklich zu
zittern.
So viele unterdrückte Gefühle quollen in diesem Moment in ihm hoch und
vernebelten ihm die klare Sicht auf sein Umfeld.
Er sah geistesabwesend zu, wie Bela eine Flasche Schultheiß mit den Zähnen
öffnete und blinzelte nicht einmal, um genau zu verfolgen, wie sein Hals sich
nach jedem Zug genüsslich straffte.
Für den Schlagzeuger schien es nichts als Durstlöschen zu sein, für Farin
aber war es die reinste Qual, ihn jetzt nicht einfach an sich reißen zu können
und seinen eigenen Durst zu löschen, seiner Begierde hemmungslos zu folgen.
Aber warum sagte er es ihm nicht einfach?
Warum fiel es ihm so schwer, Bela all das zu gestehen, was er über ihn dachte?

Jener wurde jetzt erst auf das merkwürdige Verhalten Farins aufmerksam und
setzte die Flasche mit fragendem Gesichtsausdruck ab.
Einen Moment später umspielte wieder ein amüsiertes Lächeln seine Mundwinkel,
während er die Flasche vor die Nase seines Gitarristen hielt.
"Durst?"
Doch sein Gegenüber reagierte nicht wie erwartet mit einer schnippischen
Bemerkung gegenüber dem Alkohol, stattdessen packte er, ihn immer noch
anstarrend, sein Handgelenk fest, quetschte es regelrecht ein.
Die Bierflasche fiel zu Boden, Bela verlor die Kontrolle über seinen Sitz und
wurde gewaltsam zu dem Blonden herüber gezogen.

Jetzt oder nie.
Dieser Satz schoss immer wieder durch seinen Kopf, als er spürte, wie Bela nun
halb auf seinem Schoß saß und ihn eher überrascht als empört ansah.
Er wollte ihm alles ins Gesicht sagen, was er gerade dachte, alle Gefühle, die
sich gerade in ihm überschlugen, doch er brachte nicht mehr als ein
erschöpftes Keuchen seines Namens heraus.
"Bela..."
Als hätte er darauf gewartet, dass Farin das erste Wort sagte, flüsterte er in
verwirrt zittrigem Ton:
"Jan, was soll das???"
Der Blonde sah ihn nur weiter eindringlich an...
"Ich weiß es nicht..."
damit zog er den Schlagzeuger näher an sich und stieß, vor unterdrückter
Erregung fast wütend mit seinen eigenen Lippen auf die seines Gegenübers.
Doch all das sollte nicht in dem Happy End enden, dass er sich herbei sehnte,
denn Bela holte langsam mit dem rechten Oberschenkel aus...


Geh mir aus dem Kopf...
...es wäre schade um die Tränen

RUMS

Leichenblass fuhr er aus dem Schlaf auf.
Er saß kerzengerade da und starrte aus wild umherirrenden Pupillen in die
Luft.
Mit einer Hand griff er sich an dir Brust, sein Herz raste noch immer, der Puls
hämmerte in seinen Ohren, weiße Punkte tanzten vor seinen Augen.
Durch das geöffnete Fenster drangen mit einem Zug frischer Luft
Verkehrsgeräusche in seine geräumige Suite, er hatte geträumt.
Seufzend lies er sich wieder zurück auf die Matratze fallen und legte beide
Hände flach auf sein Gesicht, um sie zu beruhigen.
Doch bereits als er sich sein Blickfeld durch die Handflächen verdunkelte
tauchte das paar glänzender, blaugrüner Augen vor ihm auf.
Ihn durchfuhr ein plötzliches Zucken, verzweifelt rollte er auf die Seite und
krallte seine Hände in die wilden blonden Strähnen.
Noch nie, so glaubte er zumindest, war er so schwach gewesen wie in diesem
Moment.
Sein ganzer Körper bebte, die ständigen Träume von diesem Mann wurden ihm
plötzlich bewusst, wie sie ihn fast jede Nacht in den letzten Wochen verfolgt
hatten.
Sein Atem wurde immer flacher, er begann zu wimmern und krallte sich noch fester
in seinen Kopf.
Als er langsam, fast schon ängstlich ein weiteres Mal die Augen schloss,
lösten sich zwei einsame Tränen, die von seinen glühenden Wangen auf seine
Unterlippe tropften.
"Geh mir aus dem Kopf!"


Gedankenversunken und eigentlich nicht wirklich bei der Sache klickte Bela sich
durch die Weiten des World Wide Web, auf der Suche nach irgend etwas
interessantem, als ihm in einem der unzähligen "die ärzte"-Foren ein Link ins
Auge fiel...
"Talk to me and let me drink your blood! - der Vampir-Clan läd zzum Chat!"
Mit dem ersten Klick landete er auf einer in schwarz-rotem Layout gehaltenen
Website mit zwei Anforderungen, um den Clan zu betreten...
"Nickname:"
Ihm fiel nichts außergewöhnliches ein, darum wählte er einfach den Namen, den
Farin so oft spöttelnd für ihn übrig hatte:
"DerGraf"
Sicher war er kein so begeisterter Internet-Surfer wie etwa Rod, aber hin und
wieder fand er Spaß an solchen Chatrooms und Ablenkung konnte er jetzt sehr gut
gebrauchen.
Als das Passwort angefordert war, gab er den ersten Namen ein, der ihm durch den
Sinn schwirrte, klickte auf Enter und landete mit einem wohl zum Zweck der
Pseudo-Grusel-Atmosphäre eingebautem, billigen Orgelspiel in einem prall
gefüllten Raum mit dem Namen "Vorhalle".
Er könnte ein flüchtiges Grinsen nicht vermeiden, dieser Clan war aufgeteilt
wie in einem Schloss.
Er entschied sich letztendlich für "die Gruft" und beobachtete eine Weile das
muntere treiben von Leuten wie "Vampirprinzessin", "Anti-Knoblauch" und "Heavy
Metal Vamp", bis sich plötzlich ein Fenster von selbst öffnete...

Katzenauge: Guten Abend, Herr Graf, ich bin Baroness auf Partnersuche!

Bela runzelte die Stirn, setzte sich jedoch an die Tastatur.

DerGraf: Bedaure, junge Dame, ich bin bereits weit von meinem
Verfallsdatum entfernt...
Katzenauge: Wenn auch gut gehalten?
DerGraf: Woher die Annahme?
Katzenauge: Meine magischen Fähigkeiten!
DerGraf: Trotzdem bin ich nicht anzuwerben...
Katzenauge: Ihr seit verliebt?

Der Dunkelhaarige stutzte nur noch mehr.

DerGraf: Was hast du für magische Kräfte?
Katzenauge: Weibliche Intuition.
DerGraf: Bin ich aber nicht!
Katzenauge: Welch falsches Lächeln! Mir könnt ihr es ja sagen, ihr kennt mich
doch nicht einmal.
DerGraf: Ich resigniere!
Katzenauge: Schwer seufzend!

Bela kam nicht um ein Lächeln herum, er hatte sich selten auf Anhieb so gut mit
jemandem in einem der Foren und Chatrooms verstanden...

Katzenauge: Ihr scheint unglücklich zu sein, Graf!
DerGraf: Eher irritiert als unglücklich.
Katzenauge: Sprecht, was habt ihr auf dem Herzen?
DerGraf: Einen Streit...
Katzenauge: Nur einen?
DerGraf: Entstanden durch Stress.
Katzenauge: Ihr kennt sie lange?
DerGraf: Ihn.
Katzenauge: Pardon?
DerGraf: Nicht sie, IHN.
Katzenauge: Ein alter Freund auch noch?
DerGraf: Tja. Und das seit über 20 Jahren.
Katzenauge: Wie tragisch.
DerGraf: Du meinst tragikomisch!
Katzenauge: ... Was denkt er über euch?
DerGraf: Wenn ich das wüsste, wäre ich mehr als glücklich, glaub mir!


Ziellos irrte er durch die Straßen und Gassen Hamburgs.
Der Wind wehte noch immer sanft und mit der schwarzen Jeans und seinem
Longsleeve war er beinahe schon zu warm gekleidet, für so eine Nacht.
Trotz das die Luft erfrischte und seinen Kopf etwas aufklarte, hatte er sich
merklich an die Ruhe seines geliebten Dorfes gewöhnt.
Er hatte keine Lust sich in irgend eine der verrauchten Spelunken zu setzen und
die Zeit tot zu schlagen, um sich herum nur Säufer und irgendwelche dubiosen
Nachtschwärmer.
So zog Farin den Parksee vor.
Gemäßigten Schrittes überquerte er den Wiesengürtel, der sich um das
Gelände schlang und stapfte durch den kleinen Wald aus künstlich angepflanzten
Bäumen.
Doch diesen Abend war er nicht allein am See, denn kaum ein paar Meter von ihm
entfernt saß Rod an einem Steg, auf seinem Knie eine seiner unzähligen
Akustik-Gitarren.
Farin musste unweigerlich lächeln, Rod hatte, wie sie alle, verschiedene
Eigenheiten und um neue Songs zu schreiben an irgend einen "inspirierenden" Ort
zu ziehen, die Gitarre über der Schulter, war eine davon.
Trotzdem wollte er jetzt nicht unbedingt ein aufklärendes Gespräch mit dem
Bassisten führen und setzte seinen Gang, die Hänge in den Hosentaschen
vergraben, etwas schneller fort.
"Flüchtest du also doch?"
Resigniert seufzend stoppte Farin seinen zügigen Schritt wieder und warf einen
flüchtigen Blick auf Rod.
"Woher weißt du, dass ich es bin?"
Nun drehte der Dunkelhaarige sich lächelnd um.
"Berechnungsfähigkeit."
Er rutschte demonstrativ ein Stück bei Seite, um dem Gitarristen Platz zu
machen.
Dieser zuckte innerlich mit den Schultern und lies sich dort nieder.
Wie so oft, wenn er nachdachte, schlug Rod ein paar Saiten an.

Farin wusste nicht, wie lange sie dort saßen und einfach schwiegen.
Wieder einmal mehr wurde ihm bewusst, welche Masse an Gegengewicht Rod zu tragen
hatte, innerhalb der Band.
Er hatte, wenn es um irgendwelche persönlichen Probleme, speziell Farins
persönliche Probleme ging immer ein offenes Ohr, bot ihm immer eine Schulter
zum ausweinen und freute sich mit ihm, auch wenn er sich selbst schlecht
fühlte.
In seinen Augen war er ein einzigartiger Mensch, es würde keinen so guten
Zuhörer wie ihn noch einmal geben.
Aber auch keinen so guten Fragesteller.

"Wie geht's deinem Kopf?" lies er beiläufig verlauten.
Farin seufzte, trotz des schwachen Lächelns, da Rod seinen Gedankengang so eben
wieder einmal bestätigt hatte, leise auf, zur Antwort.


Es ist noch nicht vorbei...
...es fängt gerade erst an!

Der Wind fuhr ihm warm durch seine frisch schwarz gefärbten Haare und weckte
ihn aus seinen Gedanken.
Er betrachtete die halbleere Flasche in seiner Hand und lächelte müde.
Was würde Farin jetzt wieder sagen?
Nichts, vermutlich.
Er würde ihn schlichtweg vorwurfsvoll anschauen, die Mundwinkel auf so typische
Weise wie die Augenbrauen verzogen.
Im nächsten Moment schüttelte er den Kopf, waren seine Gedanken doch schon
wieder bei seinem Gitarristen.

"Ähm... Entschuldigung?"
Er schreckte nach oben und sah in das Gesicht eines Mädchens, sicher war er gut
dreimal so alt wie sie.
In Zeitlupengeschwindigkeit sah er an ihr herunter und erkannte, warum sie ihn
augenscheinlich angesprochen hatte:
In ihrem festen Griff klemmte ein Foto, wohl von dem letzten Konzert, nun
bereits fast ein Jahr her, ein Schnappschuss von ihrer Verabschiedung.
Es gab kaum einen Tag, an dem er nicht angesprochen wurde.
Leider besaß er nicht diese Fähigkeit, on stage augenscheinlich jemand anders
zu sein.
Sein Gitarrist ging Abends als Farin Urlaub auf die Bühne und schrie, sprang
herum und feierte.
Am nächsten Morgen war er Jan Vetter, still, mit einem milden Lächeln im
Gesicht.
Es war ihm ein Rätsel.
Er selbst hatte schlichtweg die Taktik entwickelt, sich als jemand anders
auszugeben und so zu tun, als hätte er nie etwas von "die ärzte" gehört.
Das tat er auch diesmal, er musterte sie scheinbar uninteressiert von der Seite.

"Sie... du... bist doch Bela B.?"
Gekonnt gleichgültig nippte er an der Flasche Schultheiß.
"Ich weiß nicht, wen du meinst."
Doch dieser Fan beharrte:
"Könnte ich vielleicht ein Autogramm haben? Ich meine, wo es doch jetzt keine
Konzerte mehr geben wird?!"
Bela schnaubte, nahm ihr den Filzstift aus der Hand und signierte das Foto.
"Hier, zum Beweis, dass es garantiert noch Konzerte geben wird. In rauen
Mengen."
Ein mildes Lächeln kroch in ihm hinauf, als er sah, wie sie das Autogramm mit
glühenden Wangen, aber hoffnungsvoll strahlenden Augen entgegen nahm und mit
einem schlichten gemurmelten "Danke", verschwand.
Eine Weile noch saß er auf der Treppe, starrte vor sich auf die Straße und
dachte nach.
Es gab also schon wieder Gerüchte über die Trennung der Band.
So etwas absurdes...
Jedoch gestand er sich ein, wie schlecht es ihm auf der letzten Tour gegangen
war.
Seine Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen, als er sich an die vielen
Konflikte zwischen Jan und ihm erinnerte.
Es hatte ständig Punkte gegeben, an denen sie sich angefaucht hatten, ständig
Stress, doch immer wieder hatten sie sich, nicht zuletzt dank Rod, wieder
einigen können, dieses Mal war da etwas anders.
Seufzend leerte er die Flasche in einem Zug, warf sie in den Mülleimer neben
sich und machte sich auf den Rückweg.

Die Bushaltestelle war verlassen, als er dort ankam.
Einzig ein großer Mann saß auf der Mauer, an die ein Parkgelände angrenzte.
Neben ihm lehnte ein schwarzer Gitarrenkasten, der überfüllt war von
Fan-Aufklebern, genau so wie seine Kappe, unter der einige wilde blonde
Strähnen hervor lugten.
Bela lehnte sich an das Haltestellenschild und hätte den jungen Mann
angesprochen, wenn er nicht noch rechtzeitig gemerkt hätte, dass das nicht
Farin sein konnte.
Tatsächlich erinnerte ihn dieses Bild an Jan, denn schließlich hatten sie, als
sie damals noch in Spandau einen Übungsraum mieteten, oft abends zusammen auf
den Bus gewartet, mit dem Farin die längere Heimfahrt antrat.
Er lächelte, hatten die Beiden damals nicht auch an jener Haltestelle ihre neue
Band getauft?

Für seine Empfindung betäubend laut schrillte die Klingel in seinen Ohren und
riss ihn aus seinem Dämmerschlaf.
Brummend drehte er sich auf die andere Seite und drückte sein Gesicht in die
Sofalehne.
"Rod? Gehst du???" rief er noch, die Stimme ähnlich trotzig wie die eines
Kleinkindes.
Doch der Bassist reagierte nicht, scheinbar war er gar nicht aufgewacht.
Genervt stöhnend richtete Farin sich auf und tappte barfuß durch die Suite,
wiederholt laut gähnend.
Er öffnete die Tür mit der einen Hand, während er mit der anderen immer
wieder über seine widerspenstigen blonden Haare strich.
"Ach du bist es. Hast du keinen Schlüssel?" pflaumte er Bela ungewollt grob an,
der gegen die Wand gelehnt im Hotelflur stand.
"Morgen, Jan." erwiderte der nur trotzig.
Der Blonde lächelte entschuldigend.
"Sorry, ich war nur gerade am Einschlafen."
"Ja, ich merk´s.", er sah ihn unverändert an, "Lässt du mich trotzdem rein?"
Sofort sprang der Blonde zur Seite und schloss die Tür hinter Bela.
Dieser schob sich nun an ihm vorbei, schmiss seine Jacke auf die Kommode im Flur
und ging, die Schuhe achtlos mitten im Raum liegen lassend ins Wohnzimmer und
lies sich auf einen der mit schwarzem Stoff überzogenen Stühle am Tresen
sinken.
Farin trat die Schuhe ein wenig bei Seite und folgte Bela seufzend, wie konnte
man sich innerhalb von mehr als 20 Jahren so überhaupt nicht verändern?
Im Wohnzimmer fand er den Schwarzhaarigen in sich zusammen gekrümmt und
gedankenversunken, auf die Maserung im Holz des Tresens starrend vor.
"Hey, Bela, willst du nen Tee?" fragte er und versuchte beiläufig zu klingen,
während er das Geschirr aus der Spüle räumte.
In Wirklichkeit fiel ihm erst jetzt auf, wie müde und erschöpft der Dummer
wirkte.
Als von jenem keine Antwort kam, stelle er ihm eine Tasse hin und setzte sich
auf die Arbeitsplatte der kleinen Küchenzeile, ihm gegenüber.
"Was ist denn mit dir los?" fragte er erneut, diesmal mit Nachdruck, denn
langsam begann er, sich wirklich Sorgen zu machen, nur selten sah er Bela so
betrübt herumhängen.
Zwar, zu seinem Leidwesen, in den letzten Wochen oft genervt oder verstimmt,
aber keinesfalls so wie jetzt.
Sein Gegenüber schwieg weiterhin, nippte nur gedankenverloren an seinem Becher
Tee.
"Bela, ich rede mit dir!" rief er nun etwas gekränkt.
Der Schlagzeuger sah auf und augenblicklich erkannte Farin sein Problem.
Tief in den fassettenreichen, gerade wieder einmal dunkelgrün verfärbten Augen
schimmerten Tatendrang und Unternehmungslust.
Sehnsucht nach Geschrei, Transparenten, Licht-Shows, Backstagepartys und dem
Catering der roten Gourmet-Fraktion.
Der Blonde grinste verständnisvoll und nickte ihm kurz zu.
Als Bela das sah formte sich sein Gesichtsausdruck unmerklich zu einem kindlich
bittenden Schmollen um, seine Augen waren nun hellblau.
"Soll ich die ärzte vielleicht als Vorband auf Tour nehmen?"
Farins Grinsen wurde noch ein Stück breiter, während der Schwarzhaarige ihn
nur vorwurfsvoll und ernst ansah, immer noch stillschweigend.
Als der Blonde das sah, erstarb sein Grinsen sofort.
"Okay, es tut mir ja schon wieder Leid. Was kann ich dir denn gutes tun,
Dirkilein?"

Gerade als Bela zu einer Antwort ansetzen wollte, riss Rod die Tür des
Schlafzimmers auf:
"Na, Mädels?"
"Morgen, Onkel Rod!" grüßten die beiden wie aus einem Munde zurück, beide
monotoner denn je.
Der Bassist nickte schief grinsend:
"Und? Lust, endlich mal wieder einen drauf zu machen?"
Seine Augen leuchteten begeistert, er war erpicht darauf, das Jenaer Nachtleben
zu erkunden.
Nun konnte auch Bela grinsen und nickte zustimmend, während Farin leise vor
sich hin seufzte und dann kleinlaut meinte:
"Also, Jungs, ich hoffe ihr seid nicht böse wenn ich nicht..."
"Doch sind wir!" fuhr Rod ihm in den Satz,
"Es ist so lange her, dass wir alle drei was gemeinsames gemacht haben."
Der Blonde lächelte ergeben und beugte sich dem Willen der anderen beiden.

Kaum 3 Stunden später saß Rod seufzend in der warmen Eingangshalle des Hotels
in einem Ledersessel.
Mit einem Blick auf seine Uhr stellte er leicht genervt fest, dass er bereits
seit einer halben Stunde auf seine Bandkollegen wartete.
Sicher, er hatte von Bela nichts anderes erwartet, aber dafür das Farin erst
gar nicht hatte mitgehen wollen, schien er sich sehr um sein Äußeres zu
sorgen.
"Oder er ist wieder eingepennt..." murmelte der Bassist vor sich hin und
betrachtete zurück lehnend die wenigen Leute, die zu dieser Zeit im Hotel herum
irrten.
Aber der Gitarrist war schon seit einigen Wochen so merkwürdig, seine Stimmung
war unberechenbar geworden.
Diese Gemütsschwankungen machten nicht nur Rod und Bela zu schaffen, auch Jan
litt deutlich darunter, er war oft und schnell müde und aß seit ein paar Tagen
auch auffällig wenig.
Wann hatte das alles angefangen...
Er konnte seinen Gedankengang nicht zu Ende führen, denn in diesem Moment stieg
Bela die Treppe hinunter und ging dann eiligen Schrittes auf ihn zu.
Er hatte eine weiße Stoffhose an, die wohl neu sein musste, denn Rod hatte sie
noch nie an dem Schlagzeuger gesehen. Darüber ein schwarz-rot gemustertes Hemd,
augenscheinlich Satin, passend zu den schlichten Schuhen.
Außerdem hatte er, im Gegensatz zu Rod, der völlig in schwarzen Jeansstoff
gehüllt war und lediglich seinen Nasenpiercing trug, seine üblichen Ohrringe,
Piercings und Ringe angelegt.
"Sorry, für die Verspätung!"
Der Schlagzeuger kratzte sich leicht verlegen im Nacken.
Sein Gegenüber verdrehte grinsend die Augen:
"Bin ich ja inzwischen von dir gewöhnt, aber Jan ist auch noch nicht
aufgekreuzt."
Das schien Bela jetzt erst zu registrieren und sah sich verwundert um.
Das war nicht typisch für den Gitarristen, normaler Weise war er immer der
erste, sei es nur, um Bela wegen seiner nicht vorhandenen Pünktlichkeit
kritisieren zu können.
"Meinst du wir sollten mal nachsehen, was mit ihm ist?" fragte er vorsichtig und
immer noch etwas ungläubig.
Rod öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch als er eiliges Getrappel aus
Richtung der Marmortreppe wahrnahm, besann er sich.
"Er macht sich gerade auf den Weg zu uns..."

Und tatsächlich sahen sie den Gitarristen einen Moment später durch die Halle
schreiten.
"Da kommt er, mit wehendem Mantel!" rief Rod gespielt ehrfürchtig.
Dafür kassierte er von Farin einen beleidigten Schups, denn der Blonde schien
plötzlich in bester Laune.
"Klappe halten, es tut mir ja Leid, dass ich zu spät bin, aber sollten wir
nicht los?"
Nun wandte er seinen Blick auch zu Bela, der scheinbar seine Sprache verloren
hatte.
"Äh... ja, hast Recht!" antwortete der hastig als er registrierte, dass die
Frage auch an ihn gerichtet war.

Da sie keine Lust hatten, sich ständig in Taxen herum kutschieren zu lassen,
gingen sie zu Fuß und kamen so auch weitaus schneller voran, denn die
Innenstadt war fast ausschließlich Fußgängerzone.
Ein frischer Wind kam ihnen entgegen, denn der Hauptmarkt, auf dem sie gerade
angekommen waren und der an der linken Seite dich gesäumt war von Bars und
Diskotheken, stand völlig leer.
An einer Mauer saß eine Gruppe Jugendlicher und zwei Stadttauben flatterten
umher, sonst war es still.
Einen kurzen Moment standen die drei Männer etwas verwirrt da, hatten sie sich
doch mehr von Erfurt erhofft.
Rod erwachte als erster aus dem Wachtrauma:
"Also, welche von den Kneipen wollen wir uns als erstes vornehmen?"
Mit diesem Satz besannen sich auch Bela und Farin wieder.
Der Schwarzhaarige meinte skeptisch:
"Wenn du ein Fan wärst, wo würdest du uns am wenigsten vermuten?"
Farin lies den Blick nachdenklich schweifen, bis seine Hand plötzlich nach
vorne schnellte.
Er deutete auf ein relativ großes Lokal, an einer Straßenecke.


Wie du...
...mit ein paar Worten mein Herz zerspaltest.

Tatsächlich hatte Farin Recht behalten.
In einem Studenten-Tanzclub, der Einrichtung nach zu urteilen aus tiefsten
DDR-Zeiten wiederbelebt, in dem sich außer ein, zwei Professoren und/oder
Eltern keine unter 30jährigen aufhielten, würde man sie wohl nicht wirklich
als erstes suchen.
Aber trotzdem die Drei vom Durchschnittsalter nicht ganz mit einbezogen waren,
hatten sie genug Spaß.
Schließlich waren sie es seit ca. einem Monat wieder gewöhnt, unter
Jugendlichen und angehenden Erwachsenen zu sein.

Rod, der sich bis eben noch mit Bela über die merkwürdige Konsistenz von
dessen Drink unterhalten hatte, sah verwundert auf.
Vor ihm stand ein Mädchen, vielleicht 16 oder 17 Jahre und lächelte ihn an,
ohne geringste Scheu.
"Hast du Lust zu tanzen?"
Der Satz kam so schnell über ihre Lippen, dass er erst einige Sekunden später
registrierte, was nun wollte.
Er grinste schief:
"Lass mal, ich glaub´ eher nicht,"
Bela, der das Mädchen ebenfalls kurz musterte, lies seinen Bassisten nicht so
einfach davon kommen.
Er hatte genau mitbekommen, dass auch Rod ziemlich mitgenommen war, von der
kleinen Tour, die großteils mit Stress verbunden war, da wollte er, dass er
wenigstens jetzt so richtig aus sich raus gehen konnte, wie er es ja sonst bei
Partys aller spätestens nach den dritten Glas Alkohol war.
"Jetzt komm schon, Rodrigo, gib dir doch nen Ruck!"
Der Drummer grinste ihn fordernd, frei nach seinem alten "Oder bist du etwa zu
feige?" - Motto
Sein Grinsen wurde noch ein Stück breiter, als er sah, wie Rod sogar leicht rot
wurde.
"Ich weiß gar nicht, ob ich noch zu so was tanzen kann. Vielleicht bin ich
einfach zu alt für..."
"Ach komm schon, Samba kann jeder tanzen!", fiel das Mädchen ihm ins Wort und
zog ihn einfach mit zur Tanzfläche.

Bela winkte den Beiden auf Rods hilfesuchenden Blick hin nur ein wenig
schadenfroh hinterher.
Aber kaum das ihr Blickkontakt abbrach, erlosch sein amüsiertes Grinsen und er
starrte gedankenverloren in sein Glas, in dem die dickflüssigen Rückstände
seines Drinks hin und her schwappten.
Allerdings sollte er gleich wieder aufschrecken, als Farin sich entspannt
seufzend auf der Bank ihm gegenüber sinken lies.
Es musste gute 15 Minuten her sein, dass der Blonde sich auf den Weg zum Buffet
gemacht hatte.
Die verfressene Masse an drängelnden Jung-Studenten schien selbst ihn erheblich
behindert zu haben, trotzdem war sein Teller aber nicht sonderlich sparsam
gefüllt.

Da der Gitarrist sich erschöpft nach hinten lehnte blieb Bela Zeit, ihn kurz
zu mustern.
Er hatte seine langen, in edlen dünnen, allerdings typischer Weise schwarzen
Stoff gehüllten Beine nicht wie sonst übereinandergeschlagen, sondern sie, so
weit es eben mangels Beinfreiheit ging, von sich gestreckt.
Über seine Stirn und den straffen Hals hatte sich ein dünner Schweißfilm
gebildet, der ihn in dem roten Dämmerlicht glänzen lies, das weiße Hemd klebt
ganz und gar an seinem verschwitzten Oberkörper, der zwar sportlich und
muskulös, jedoch nicht minder elegant und schlank wirkte.
Ohnehin hatte sich sein einst blasser und schmächtiger Freund rein äußerlich
sehr, aber wie Bela nach kurzer Einschätzung fand, nicht zu seinem Nachteil
verändert.
Vielleicht lag diese Ansicht auch einfach daran, der er ihn heute ganz anders
betrachtete als mit 18, doch diesem Argument wich er lieber aus.


"Rodi legt ne heiße Sole auf´s Parkett?"
Der Blonde grinste, für ihn typisch mit offenem Mund.
In den besten Momenten war zu seinem Ärgernis eben nie eine Kamera zur Hand.
Trotz dieser traurigen Feststellung nahm er die offensichtlich viel jüngere
Tanzpartnerin mit einem belustigten Schnauben hin und wandte sich seinem gut mit
spanischen Warmspeisen beladenem Teller zu.
Bela rührte mit dem Strohhalm in seinem Glas herum und sah ebenfalls kurz
hinüber auf die Tanzfläche, wenn er auch nicht wirklich bei der Sache war.
Ihm entglitt nur ein desinteressiertes:
"Hm..."

Farin sah fragend auf, während er einen kleinen Hummer, ganz oben auf dem
Haufen von Salat und Fisch, grausam mit Plastikbesteck sezierte.
"Und was ist mit dir los? Sonst bist du doch immer Baggerkönig Nr. 1?"
Trotz seines amüsierten Untertons musste er sich zu einem halbwegs
ausgelassenen Grinsen zwingen.

Schon ein paar Sekunden später bereute er seine kleine Anspielung auch, denn
der Schlagzeuger sah ihn aus vorwurfsvollen Augen an.
"Red doch keinen Scheiß!"
Er schien beinahe verletzt durch Farins Worte.
Dieser wunderte sich nur noch mehr.
"Ich mein ja nur..."
Er zuckte demonstrativ mit den Schultern, einen zögerlichen Ausdruck von
Entschuldigung im Gesicht.

"Lass mich einfach Ruhe, okay???"

Der Satz war langsam und beschwerlich über seine Lippen gekommen, aber Bela war
ziemlich sicher, dass sein Gegenüber verstanden hatte, was er wollte.
Auch wenn es nicht wirklich das war, was er sich wünschte.
Eigentlich traf es sein Verlangen in keinster Weise, aber seine Stimme,
beschrieb zumindest seinen Gefühlszustand ganz gut:
Verwirrung, Müdigkeit, keine Spur mehr von Amüsement.

Mit zitternder Hand knallte er das Plastikbesteck auf den Tisch und erhob sich
ruckartig.
Der Satz schien immer wieder in seinen Ohren nachzuklingen, schriller und
lauter, als er eigentlich gemeint war.
"Schön!"
Zu seinem Ärgernis hatte er apathisch, fast ein wenig hysterisch geklungen.
Die Tatsache, dass er nun noch schwächer vor Bela da stehen musste, eher
hilflos als wütend, ließ für ihn nur einen Ausweg zu...

Bela sah dem Blonden verwirrt hinterher, der augenblicklich aufgesprungen war
und quer durch den Club zum Ausgang stürmte.
Was war denn in ihn geraten?
Sonst war Farin schon immer eher friedlicher Natur und hatte Belas Gefühle zu
achten, seine Stimmlage zu deuten gewusst.
Erst das laute Gelächter, dass von Rods Tanzpartnerin auszugehen schien, lies
ihn wieder aus seinem tranceartigen Zustand erwachen.
"Hey? Ist Farin immer noch nicht wieder da?"
Der Braunhaarige wischte sich verwundert Schweiß von der Stirn und sah Bela
fragend an.
Der hielt dem Augenkontakt jedoch nicht lange stand und stierte statt dessen auf
den vollen Teller, auf dem noch immer der sezierte Hummer lag.
"Er ist kurz weg..."
Sein Freund sah ihn durchdringend an, er konnte sicher sein, dass das nur die
halbe Wahrheit war.
Auch die Jugendliche, die bis eben mit Rod getanzt hatte zweifelte an dem was er
sagte.
"Ach was weiß ich denn, er war plötzlich total gereizt und is' rausgerannt!"
Der Bassist blieb ruhig, bohrte aber trotzdem weiter, innerlich seufzend über
die beiden Sturköpfe.
"So ganz plötzlich? Von allein? Wieder eine seine mysteriösen
Stimmungsschwankungen oder was?"
Ohne eine Antwort verlauten zu lassen stand Bela auf, knirschte den beiden ein
"Gute Nacht!" zu und verließ den Club auf gleichem Wege, wie kurz zuvor noch
Farin.

Einen Moment starrte er stumm auf das strahlend weiße, blank polierte Porzellan
des Waschbeckens unter sich, bis er schließlich den quietschenden Hahn
aufdrehte und das eiskalte Wasser erst über seine Hände und dann den Kopf
laufen ließ.
Das kühlte sein erhitztes Gemüt zwar etwas, löschte jedoch keine der
Traumszenen, die ihn ständig verfolgten.
Seine Hände krallten sich so fest an den Beckenrand, das die Fingerknöchel
weiß hervortraten.
Er spürte, wie er erneut zitterte, seine Knie drohten unter ihm einzuknicken
und sich heiße Tränen in kleinen Flüssen mit dem Leitungswasser vermischten.
Mit seinem gespielten Frohsinn am Ende, lies er, nun endlich allein, seinen
Gefühlen freien Lauf.
Sein Keuchen wurde zu erschöpften Kehllauten, die sich langsam zu einem
kläglichen Schluchzen fügten.
Wirre Sätze vor sich hin murmelnd schaffte er es nach einer Weile, den Kopf
wieder ein wenig zu heben, blickte jedoch sofort in seine eigenen hellgrünen,
rot unterlaufenen Augen, in denen sich ein Orkan aus Gefühlen widerspiegelte.
Begierde, Verlangen, Sehnsucht... Angst.



Sieh mich nicht an...
...denn dein Blick zerfetzt mich.



Mit vom kalten Wind zerfurchten Haaren und zunehmender Nervosität in den
Knochen stieg Bela die Treppe des hell erleuchteten Hotelflurs hoch, die klammen
Finger zu straffen Fäusten geballt.
Der Zweitschlüssel lag kühl in seiner rechten Hand.
Ein paar Minuten suchte er den scheinbar endlosen und trist in Weiß
gestrichenen Gang nach der mit weißem Lack in die Wand eingepassten Tür mit
Zimmernummer 176 ab.
Es machte ihn immer ungeduldiger und so lief er stetig schneller, wie ein
gefangener Tiger, der eine Fluchtmöglichkeit suchte.
Schließlich machte er einen Satz, als sein Blick die goldenen Lettern gedeutet
hatte und drehte den klimpernden Schlüssel hastig zweimal nach rechts um, mit
dem festen Vorhaben, Jan zur Rede zu stellen.
Doch als er dann die im Dämmerlicht liegende Suite betrat und das leise
Sprudeln eines Wasserglases den Raum als einziges Geräusch erfüllte, fiel das
große, selbstbewusste Ego des Drummers langsam in sich zusammen.
So leise wie möglich schlich er über das helle Parkett und die Teppiche, bis
er ihn erblickte. Seinen Gitarristen.

Regen trommelte derweil an die großen Fensterfronten des Hotels und die beiden
Männer saßen einfach da. Reglos, fast wie erstarrt, kalter Schweiß auf beider
Stirn.
Bela starrte wie gebannt in das Gesicht mit den milden und doch scharfkantigen
Zügen, die jetzt nichts von einer Gefühlsregung des Blonden verrieten und doch
nicht versteinert schienen, wie die einer Statue.
Jan wirkte eher wie eine wilde Raubkatze, die das was sie wollte, ihr Opfer, mit
ihrem Blick fesselte und bannte.
Und ehe der Schwarzhaarige sich von der Magie seines Gegenübers lösen konnte,
legten sich dessen schlanke Hände fest um sein markantes Gesicht und zogen ihn
fast gewaltsam zu sich auf das Himmelbett.
Er schwor, er wollte sich erst wehren.
Es widerstrebte ihm, was er tat, doch seine Kehle trocknete aus und seine Stimme
erstarb, als der heiße Atem seinen Hals berührte und er glaubte, in einen nie
enden wollenden Abgrund zu fallen, als seine eiskalten auf Jans unendlich heiße
Lippen trafen.
Er spürte, wie die Finger sich in seinen Haaren vergruben und begann, zu seinem
Beschämen, fast automatisch, sich den trockenen, gierigen Lippen anzupassen,
als es plötzlich blitzte.
Für eine Sekunde war es taghell und kurz öffnete Bela die Augen und starrte in
die glasigen seines Gegenübers.
Als es urplötzlich wieder stockdunkel wurde, durchfuhr den Schlagzeuger ein
weiterer Blitz.
Wie eine Flut brach durch den Kuss etwas über ihn herein, was ihn zur Besinnung
zu bringen schienen.
Er riss sich los und entfernte sich so weit es ging, bis sein Rücken
schmerzhaft an das Fußende des Bettes stieß.
Jan lag unverändert aus gestreckt da, auf seine Unterarme gestützt.
Sein Blick aber, hatte sich verändert.
Es war als hätte er Bela damit einen kalten Speer ins Herz gestoßen und drehte
jenen hin und her, als seine Mundwinkel nun auch noch ein kalt angehauchtes,
selbstzufriedenes Lächeln preis gaben.
Die hellgrün glimmenden Augen erschienen ihm im schwachen Kerzenschein so
gefährlich.
Tatsächlich, als hätte der Tiger das, was er wollte erreicht.


Zu Belas großem Unbehagen verließ ihn dieser Gesichtsausdruck auch nachdem er
einfach aufgesprungen und ohne ein Wort oder einen Blick aus dem Zimmer
gestürmt war nicht, ganz im Gegenteil.
Die letzten Tage der kurzen Tour sollten zu den schlimmsten werden, die er je in
der Gegenwart seines eigentlich besten Freundes verlebt hatte.
Jedes Mal, wenn die Augen des Gitarristen ihn trafen, glimmte in ihnen wieder
diese Verachtung auf, so plötzlich und unerwartet, dass niemand außer Bela es
mitbekam und doch lange genug, um jenen unbarmherzige Qualen leiden zu lassen,
denn er konnte Jan nicht anschauen.
Es verletzte ihn, wie kalt sein Grinsen ihm gegenüber war, er zerriss ihn
innerlich in viele kleine Fetzen und bleckte dabei genüsslich die Zähne.
Doch das, was ihn am meisten schaffte war, dass es Jan besser zu gehen schien,
denn je, während er selbst nur einen Schritt vom Wahnsinn entfernt war, einen
Wink mit dem kleinen Finger, nein, ein Lächeln von der Verzweiflung.

Doch als gerade eine Woche vergangen war, seit dieser verhängnisvollen
Berührung und den folgenschweren Fehlern des Schlagzeugers, bekam er eine
E-Mail, die seine Stimmung ein wenig hob.
Schon seit einigen Tagen hatte er keinen regelmäßigen Kontakt mehr zu seiner
mysteriösen Internet-Bekanntschaft gehabt, die ihn inzwischen besser zu
verstehen schien, als er sich selbst.
Obgleich sie sich nicht ein einziges Mal gesehen hatten.
Doch genau das hatte sie vor, zu ändern, sie würde in zwei Tagen in Berlin
ankommen, wo auch das Abschlusskonzert der Tour sein sollte.
Bela antwortete ihr so schnell es ging, seine Finger schlugen dabei hastig auf
die Tastatur ein.
Er brauchte dringend Ablenkung, jemanden, der ihm ein wenig Last von den
Schultern nahm, einfach, indem er Interesse an ihm zeigte und ihm klar machte,
dass er nicht vergessen war.


Verzeihst du meine Dummheit...
... zu glauben, dass es so einfach wär?

Der Herbst machte sich rasch bemerkbar und schon bald war die Buskolonne auf dem
Weg nach Berlin.
Zum letzten Konzert in der Arena.
Und aufgrund dieser heimischen Halle und der Vertrautheit, die nun, nach
diversen großen und kleinen Miseren und vielen ausverkauften Shows eingekehrt
war, machte sich Entspannung in der Crew mehr denn je breit.
Man feierte ausgelassen wie immer und redete viel über diese schnell vergangene
Zeit.

Doch jetzt war es weit nach Mitternacht und außer den Fahrern der Busse
schliefen alle.
Fast alle.
Bela saß hellwach in seiner Buskoje und beobachtete den langsam heller
werdenden Horizont, bis die ersten Sonnenstrahlen die schnell vorbei ziehende
Landschaft in rosarotes Licht tauchten.
Ein frischer Oktoberwind blies ihm vereinzelte Strähnen aus dem Gesicht und
weckte ihn aus seinen Gedanken.
Tief seufzend lies er sich zurück auf die weiche Matratze sinken und schloss
die Augen.
Auch wenn er sich nach außen an der allgemeinen Muße beteiligte, welche auch
ihm zugegebener Maßen viel an Last abnahm, fühlte er sich mehr und mehr
zerrissen und gestraft.
Er warf einen Blick auf Rods schlaff von der Bettkante baumelnden Arm an dem er
seine Uhr befestigt hatte und rechnete noch ungefähr fünf Stunden Fahrt aus,
bis sie in Berlin wären.
Er würde so schnell wie möglich aus Jans Blickfeld verschwinden und notfalls
Stunden in dem kleinen Café warten, in dem er seine virtuelle Seelenklempnerin
anzutreffen suchte.
Um ihr nicht ganz wie ein dubioser Nachtschwärmer zu erscheinen, würde er doch
versuchen, ein wenig zu schlafen.
Selbst wenn das Gesicht, dass er so gern hassen würde, ihn in seinen
Albträumen verfolgte.

Als die Buskolonne am Vormittag auf dem Platz vor der Arena eintraf, stand die
Sonne, von der grauweißen Wolkendecke einige Nuancen kälter gefärbt, schon
nahe am Zenit.
Die gesamte Crew sprang so schnell es ging aus den Fahrzeugen und verschaffte
sich einen Überblick.
Auch Jan schlenderte über den großen, voll gestellten Parkplatz, der zu dem
direkt gegenüber liegenden Hotel gehörte und sah sich vor der Halle um.
Ein paar Jugendliche hatten dort bereits ihre Lager aufgeschlagen, er erkannte
sogar einige Gesichter wieder, hielt sich aber so verdeckt wie nur möglich.
Der Autogrammansturm würde nach dem Konzert groß genug sein.
Durch den Hintereingang betrat er die Halle, in der bereits ein paar Roadies
emsig dabei wahren, Verstärker und Backlinie einzurichten.
Ein paar der Lichtleute kletterten 10 Meter über ihm durch das Gewölbe und
richteten Scheinwerfer aus.
Um nicht unnütz im Weg zu stehen und die armen, schwer arbeitenden Leute noch
längere von ihrem wohl verdienten Essen abzuhalten, setzte er sich auf eine der
Tribünen und betrachtete die Halle von weit oben.
Jetzt, noch im hellen, kalten Tageslicht war es völlig leer und ihn faszinierte
und erschreckte die Vorstellung von den unzähligen Fans, die hier hinein
strömten und im Takt zu ihren Liedern aufstampfen würden immer wieder
gleichermaßen.
Mit einem matten Lächeln erinnerte er sich an den ersten Auftritt in dem
spärlich besetzten, dafür um so zugeräucherten Club und versank schnell in
Träumereien an die Zeiten, in dem seine Welt viel kleiner, seine Probleme viel
geringfügiger wahren.

Doch noch bevor er ganz und gar in Schwermut versinken konnte, riss ihn ein
erschöpftes Aufseufzen direkt neben sich aus dem tagtraumartigen Zustand.
"Hey..." murmelte der Bassist und rieb sich noch immer ziemlich verschlafen die
Augen.
Jan lächelte matt, er wusste genau, dass er seine gute Laune am Morgen (oder
wann auch immer Rod gerade aufgewacht war) als unausstehlich empfand und
verkniff sich einen neckischen Kommentar, von dessen Sorte eigentlich längst
einer überfällig war.
Ein paar Minuten herrschte Stille zwischen den beiden Musikern und Jan wandte
seinen Blick schon wieder in Richtung Decke...
"Wir müssen was tun. Das geht so echt nicht weiter..."
"Wov..."
"Felse." Fiel der Bassist ihm schnell ins Wort.
Er seufzte resignierend, als die grün-braunen Augen einen bloß noch
fragenderen Ausdruck annahmen.
"Sag mir nicht, du hast noch nichts gemerkt? Er isst kaum was, schläft so viel
wie möglich tagsüber und außerdem hat er wieder angefangen, an den
Fingernägeln zu kauen."
Zu Rods Überraschung machte sich ein breites Grinsen im Gesicht seines
Gegenübers breit.
"Ach echt?" schnaubte er nur vergnügt. "Zu mir meint er immer, das macht er
nicht mehr, weil's nachher scheiße aussieht wenn..."
"Woher willst DU das wissen?" fuhr Rod mit schneidender Stimme in das rege,
belanglose Gerede.
"Mit dir spricht er doch sowieso kein Wort mehr. Und du auch nicht mit ihm."
Seine dunklen Augen glänzten misstrauisch, denn er wurde das Gefühl nicht los,
dass Jan nicht ganz unschuldig an dem seelischen und physischen Zustand seines
Freundes war.
"Ich hab keine Ahnung. Ganz ehrlich!"
Jan sah ihn an offen an. In seinem Blick aber, lag Gleichgültigkeit und
Desinteresse, gerade so, als seien ihm die Gefühle Belas völlig egal, als
empfände er nicht das leiseste Mitleid für seinen langjährigen Freund.
Lange konnte Rod dem Blick nicht mehr Stand halten, der ihn ziemlich tief traf
und wollte sich gerade auf den Weg zurück machen, als Jans Hand ihn daran
hinderte, aufzustehen.
"Wo ist er jetzt?"

Sie wusste nicht, wie lange sie schon dort saß, um auf ihn zu warten.
Vor Nervosität wart sie gleich nach dem Frühstück los gefahren und jetzt
schmerzte das Kribbeln, was die Neugierde in ihr verursachte, in ihrer
Magengegend.
Das Café war mäßig besetzt aber erfüllt von Stimmengewirr, in einer Ecke
spielte jemand am Klavier einen langsamen Blues. Durch diesen Job verdiente er
sich offensichtlich das ein oder andere Bier, seit sie da war bereits sein
viertes.
In ihrer Hand drehte sie das Erkennungszeichen hin und her:
Eine Rose, die wie Glas über ihre Haut lief und fast wirkte wie aus Porzellan,
wäre da nicht dieser dezente Duft, der von ihr ausging.
Sie fühlte die kühlen, verräterischen Stacheln an ihren Nägeln entlang
schleifen und dachte unweigerlich an ein Geschöpf des Teufels.
Ein Dämon, so schön und verführerisch wie unberechenbar und gefährlich.
Nun konnte sie ein verspieltes Lächeln nicht mehr unterdrücken, dieser
Gedanke entsprach wirklich einem Höllenwesen, diese Weltanschauung.
Plötzlich fuhr ihr Blick nach oben, denn jemand hatte das Café betreten, der
ihr Aufsehen erregte.
Der schwarze, lederne Mantel fiel elegant um seine breiten, muskulösen
Schultern, gerade so als wären es übergroße Flügel, die den wachsamen,
misstrauischen Blick, welcher ihn doch wissend und allgegenwärtig erschienen
ließ nur noch herrischer betonten.
Seine schwarzen Stiefel klackten monoton beim Auftreten, trotzdem sein Gang
ausschweifend und elegant war.
Sie war sich sicher, dass das der hilflos verliebte Graf war, auf den sie
wartete.
Der Strauß roter Rosen in seiner, mit zahlreichen Ringen bestückten, Hand
suggerierte das außerdem hinreichend.

Langsam lies er seinen Blick durch die mehr oder weniger seriös wirkenden
Reihen an Gästen schweifen, auf der Suche nach einem paar Katzenaugen, als ihm
plötzlich eine wahrhafte dunkle Schönheit ins Auge fiel.
Alles, was bei ihm aufgetragen, gewollt wirkte, schien bei ihr völlig
natürlich.
Die blasse Haut, die dunkelroten Lippen und die zart schimmernden, schmalen
Nägel, zwischen denen sie elegant eine einzige, blutrot blühende Rose drehte.
Ihre Augen fixierten ihn und unmerklich etwas unsicher ging er auf sie zu.

"D...du? Aber ich dachte..." verwirrt lies er sich auf seinen Stuhl ihr
gegenüber fallen und starrte sie wie gebannt an, seine Hand ballte sich um die
Rosen zu einer Faust.
Er erkannte die Kleine, welche er von weiterer Entfernung für eine viel reifere
Dame gehalten hatte, plötzlich wieder.
Um die schmalen, dunklen Lippen spielte ein liebreizendes Lächeln und sie
nickte ihm zu.
"Ich war mir fast sicher, dass du es bist."
Belas Blick wechselte nun zu vollkommener Überraschung, er konnte sich nur sehr
wage daran erinnern, wie die 17jährige vor ein paar Wochen auf sie zugekommen
war und sich auf Anhieb mit Rod verstanden hatte und sie war sich sicher, dass
er es war???
"Wie...?"
"Ich habe an dem Abend mit Rod gesprochen. Und je mehr er mir erzählte, desto
dichter wurde das Puzzle." Sie zwinkerte verheißungsvoll und nippte an ihrem
Glas Wasser.

Seit Stunden, so kam es ihm vor, lag er auf dem großen, mit kaltem, raschelnden
Satin bezogenen Bett und starrte an die sterile weiße Decke über sich.
Ein kühler Luftzug, der durch das offene Fenster hinein strömte, lies die
feinen, langen Vorhänge rascheln und erfüllte den Raum mit klarer, weicher
Kälte.
Und auch in seinem Inneren herrschte eine solche Atmosphäre, nur dass diese
Leere viel drückender war. Drückender noch, als das schlechte Gewissen, was
ihn kurz zuvor geplagt hatte. In den letzten Tagen, ja Wochen, hatte er es
wahrhaft genossen, ihm wehe zu tun, ihn so leiden zu lassen, wie er selbst so
lang gelitten hatte.
Er wirkte so wehrlos, wie er sich gefühlt hatte und für diese Momente war er
zufrieden damit, ihn zu quälen.
Aber ihm wurde nun klar, dass das in keinem Fall reichte.
Er wollte mehr.
So viel Glücksgefühl es ihm auch brachte, ihn zu quälen, ihn zum lachen zu
bringen, ohne dabei selbst innerlich zu zerbrechen, dass wäre noch so viel mehr
wert als sein albernes Rachespiel.
Albern.
Wenn er genauer darüber nachsann, dann war es wirklich kindisch, nein
schlimmer, verlogen gewesen, wie er ihn behandelt hatte. Und wie sehr Bela das
getroffen hatte, sah man ihm auch jetzt noch so überdeutlich an, wenn man ihn
kannte.
Langsam ließ er den Kopf in den Nacken rutschen und schloss seine schweren
Augenlider.
Die Schuldgefühle und Gedanken rauschten wild durch ihn hindurch und er glaubte
plötzlich, er müsse platzen, so viel Druck wollte aus ihm raus.
Er hätte geschrien, dem Abhilfe zu schaffen, aber so laut würde er es doch
nicht schaffen, also blieb er stumm uns drehte sich trüb drein blickend zur
Seite.
Seine freudlosen Augen glitten zu der offenen Balkontür und langsam erhob er
sich, um träge hinaus zu gehen, er brauchte mehr frische Luft.
Er fühlte eine deutliche Gänsehaut, als seine nackten Füße den eisigen
Fliesenboden berührten.
Die Sonne stand schon tief, nicht weiter verwunderlich für diese Jahreszeit.
Das Hotel war nicht sonderlich schön gelegen, eher entmutigend sein Blick über
die grauen Hausgipfel der Stadt.
Er fand nichts an dieser Aussicht und wünschte sich den endlosen blauen Himmel,
die Freiheit der westafrikanischen Steppe her.
Plötzlich aber, hörte er seine Stimme auf der Straße, ein paar Meter unter
sich und legte seine zitternden Hände auf den kalten Stein, fragte sich, wo er
gewesen sein könnte und blickte zaghaft über den Rand der Brüstung.

"Hier trennen sich wohl unsere Wege." Meinte er, mitten in das lebhafte und
heitere Gespräch der beiden hinein.
Kurz sah sie ihn an, dann schweifte ihr Blick zum Eingang des Hotels.
Sie nickte lächelnd, während seine Miene etwas enttäuscht war.
Er mochte sie vom ersten Augenblick an, sie war ihm so ähnlich, dass er fast
glauben könnte, sie währen Blutsverwandte.
Doch wahrscheinlich könnte eine Verbindung zwischen Blutsverwandten nie so
stark sein.
Langsam streckte sie die Hand, mit der sie sich zuvor bei ihm eingehackt hatte,
zum Abschied aus.
Einen Moment musterte Bela sie fragend, dann zog er sie zu sich und legte seine
Arme um das junge Mädchen.
"Ich danke dir...“

Ich hoffe du verstehst...
...wie es ist, Schuld zu fühlen

Noch zwanzig Minuten.
Ungeduldig warf Rod einen erneuten Blick auf seine Uhr, die Sekunden zerronnen
schneller als sonst, die Vorband würde gleich von der Bühne gehen und weder
von Bela noch von Farin war bis jetzt eine Spur geblieben.
Er hoffte inständig, dass sie wenigstens schon umgezogen vom Hotel herrüber kommen
würden und vor allem hoffte er, dass sie diese freie Zeit genutzt hatten, um
sich über sich selbst klar zu werden. Vielleicht sprachen sie gerade jetzt
draußen vor der Tür miteinander.
"Oder sie brüllen sich an..." murmelte er entnervt, sprang auf und eilte durch
den Backstagebereich zum Ausgang.
"Hey Rodi, wo willst du denn jetzt noch hin?"
Der Bassist sah direkt in das strahlende Paar grüner Augen, die in den letzten
Wochen so matt und emotionslos gewesen waren. Bela schien plötzlich zu strotzen
vor Lebensfreude.
Er grinste ihn hell und klar an, wartete auf eine Antwort, doch einer der
Roadies kam gerade aus einem Nebenraum.
"Na endlich, wo warst du denn die ganze Zeit??? Komm jetzt mit und mach n
bisschen hin, du wirst gebraucht..."
Verwirrt sah Rod den beiden hinterher, vermutlich stimmte etwas mit der
Fellspannung von Belas Drumms nicht, er hatte sie auf dieser Tour nicht gerade
hingebungsvoll gepflegt.
Er hatte genug damit zu tun gehabt, sich selbst vorm Versinken in Mitleid zu
retten.

Ein letztes Mal fuhr Jan sich mit einer Hand durch die Haare und schüttelte
leicht den Kopf, um völlig von den Gedanken frei zu kommen, die ihn plagten.
In ein paar Minuten würde er wieder auf der Bühne stehen können, alles um
sich herum vergessen, einfach spielen, singen und in unzählige Gesichter
schauen dürfen, die begeistert Texte brüllten, die er sich ausgedacht hatte.
Die ihn so liebten, wie er war. Freunde, für die er sich niemals so sehr
verbiegen müsste...
Mit einem Blick auf die Uhr und einem kurzen Schweif zum Fenster bemerkte er,
dass er wirklich spät dran war. Hastig klappte er also den Gitarrenkoffer zu
und warf seine Lederjacke über, um im gewohnten, überschwänglichen Schritt
aus der Tür zu eilen.
Er würde es ihm schon zeigen.

Endlich, die Sprechchöre setzten verstärkt ein, der Vorhang wurde zugezogen,
in Eile wurden noch die letzten Vorrichtungen getroffen und Bela betrachtete
sein Antlitz im Spiegel.
Seit langem war er mal wieder ganz in schwarz und bis darauf, dass die
Jeans verboten eng anlag, sogar praktisch gekleidet, um drei Stunden auf
einem Bein herumzuhüpfen und dazu auch noch zu singen. Er wirkte sehr blass unter
dem dunklen Schopf und betonte diesen leicht mystischen Hauch voller Stolz mit
sanften, dunklen Liddumrandungen.
So kannten sie ihn, so gefiel er sich, so könnte er die Fans glücklich machen
und auch selbst wieder einmal auf andere Gedanken kommen. Wie es aber danach
weitergehen sollte, dass wusste er nicht.
Plötzlich öffnete sich die Tür zur Garderobe, er schrak unmerklich zusammen,
blieb aber zum Spiegel gedreht, er sah auch so, wer den Raum betreten hatte,
aber er wollte es sich einfach nicht antun, wollte sich die Laune nicht
verderben lassen. Nicht jetzt, so kurz vor einem dieser perfekten Momente.
Stumm nickte Jan Belas Spiegelbild zu und hängte seine Jacke auf.
"Gleich geht's los..." murmelte er.
"Ja. Und? Gar kein Einsingen heute?" erwiderte Bela in monotonem, möglichst
gefühllosem Ton. Zufrieden über seinen kess geratenen Kommentar schloss er
die Augen.
Doch das bereute er im nächsten Moment, denn der Blonde stand direkt hinter
ihm, der warme Atem kitzelte in seinem Nacken, so dass sich vereinzelte Haare
aufstellten.
Nun sah er für sich keine Wahl mehr und lies die Augen einfach geschlossen,
kniff sie so fest zu, wie er nur konnte.
Jan neigte seinen Kopf weiter vor, so dass sein Gesicht aus dem Schatten trat
und im Spiegel direkt neben Belas erschien. Dieser fühlte die Lippen des
Blonden fast, die so nah, wie sie sich kommen konnten, ohne sich zu berühren,
an seinem Ohr lagen.
Unweigerlich spürte er eine Gänsehaut, die sich über seinen gesamten Körper
legte.
Er hatte keine Angst, nein. Aber es war für ihn einfach zu aufregend, anders.
"Wer war die Kleine?"
Darum also. Er glaubte wohl von ihm, dass er sich für viel jüngere Mädchen
interessierte, genau so abgestumpft war wie all die alten Greise, die ihren
Mangel an Schönheit mit Geld auffüllten...
Bela wollte die Augen aufreißen, als er ihn so aus seiner Traumwelt gerüttelt
hatte, doch er konnte nicht. Sein Kopf hatte die Kontrolle über seinen Körper
längst verloren.

Er sah tief in das Paar bergeseegrüner Augen, als der Kleinere sich zu ihm
umdrehte, aber keine Anstalten machte, sich von ihm zu entfernen und hätte ihn
nicht die nagende Eifersucht geplagt, dann wäre er längst in ihnen versunken.

Ein sanftes Lächeln umspielte die Lippen seines Gegenübers und er fühlte die
leicht raue Hand des Schlagzeugers, die langsam in seinen Nacken fuhr und ihn zu
sich zog, bis sie Stirn an Stirn standen. Jetzt war da wieder dieser verwegene
Glanz in seinem Blick, von dem Jan glaubte, er hätte ihn längst gestohlen,
durch seinen dreckigen Racheakt. Eine Welle Schmerz und Schuldgefühl brandete
bei dem Gedanken daran, wie er ihn gequält hatte, in ihm auf und plötzlich
hatte er das Gefühl, Bela hätte all das jetzt plötzlich hinunter geschluckt,
längst vergessen, was für ihn so schwer zu verdrängen war.

"Ist unwichtig..."
Es war eine Lüge, dass wusste er auch, denn sie war für ihn ganz und gar nicht
unwichtig. Aber wenn er in diese grün-braunen Augen sah, die ihn nicht mehr so
abschätzend und kalt anfunkelten und ihm so einen langen Kontakt gewährten,
dann war für ihn nichts anderes mehr wichtig, außer Jan. Sein Jan.
"Dirk, ich..." stockte der Blonde, seine Stimme hatte sich gesenkt, war nur noch
ein Flüstern.
Er nannte ihn bei diesem Namen, seinem eigentlich richtigen, den er schon fast
vergessen hatte und er wusste nicht, wie er das deuten sollte, ob es ein gutes
oder ein schlechtes Zeichen war. Er wusste nur, dass er sich nach nichts
anderem sehnte, als Jans Nähe, seine Wärme, seine Liebe genießen zu können.

Langsam wanderte seine zweite Hand auch in den Nacken seines Gegenübers, der
immer noch völlig tatenlos und scheinbar verwirrt beobachtete, wie Bela sich um
ihn bemühte.

Ein Traum. Es musste einfach ein Traum sein, der selbe, den er vor ihrem ersten
Kuss immer wieder gehabt hatte und von dem er glaubte, er hätte ihn endlich
losgelassen, mit dem Entschluss, seine Gefühle zu begraben.
Er sah das markante Gesicht immer näher kommen, sah zu, als wäre eine Glaswand
zwischen ihnen und schüttelte immer wieder leicht den Kopf.
"Nein... nein, nicht so... bitte nicht." Murmelte er immer wieder fiebernd,
wimmerte schon fast. Er wollte kein Spielzeug sein, kein Lappen, der immer
wieder ausgewrungen wurde, wenn kein anderer in der Nähe war.
Bela stoppte und Jan öffnete vorsichtig die Augen, sah aber auf zwei immer noch
geschlossene Lider.

"Jan. Tu was du willst." langsam senkte er den Kopf wieder zu Boden und war im
Begriff, ihn los zu lassen, als sich die schlanken Finger um seine
Gesichtskonturen schlangen und ihn beinahe mit Gewalt zu sich zogen.
Reflexartig vergrub er seine Hand in den blonden Haaren, als ihre Lippen
aufeinander trafen und sie sofort zu einem Einzigen verschmelzen ließen, als
auch Jan endlich die Augen schloss und sich dem vor Sehnsucht noch
leidenschaftlicheren Spiel hingab, welches sie ausfochten.
Es schien Bela, als vergingen Stunden, in denen er die weichen Lippen berühren
und küssen durfte, in denen aber keiner von beiden wagte, weiter zu gehen als
sie schon waren.
Vermutlich auch noch beide aus Angst, dass sie dann aufwachen würden, und alles
wie immer sei. Aber er würde es nicht über sich bringen, und den ersten
Schritt tun, er wollte ihn auf keinen Fall verletzen und war noch viel zu
unsicher.
Diese Sicherheit gab ihm erst Jans warme Zunge, die vorsichtig, beinahe
ehrfürchtig über seine Lippen strich und ihn so zärtlich und vorsichtig um
Einlass bat, dass sämtliche Zweifel aus ihm verschwanden. Sie machten Platz
für ein stechendes Kribbeln, dass sich in seiner Magengrube ausbreitete und ihn
fast dazu zwang, seinen Mund zu öffnen und so ein Spiel zu beginnen, welches
noch viel härter, noch intensiver und leidenschaftlicher war als das ihrer
Lippen.

Genervt vergrub er die Hände in den Hosentaschen und drängte sich durch den
inzwischen voll gestellten Backstagebereich, in Richtung der Garderoben.
Gut, Jan war also gerade gegangen, dann musste er inzwischen ja fertig sein und
sie könnten doch ohne Verzögerung beginnen.
Rod sah flüchtig zur Seite und bemerkte schon diverse Paparazzi, wie er die
eifrigen Reporter so gern beschimpfte. Es lief wohl Gefahr, eine lange Nacht zu
werden.
Schnellst möglich kämpfte er sich durch, zu der Tür, hinter der er hoffte,
die beiden zu finden.

"Na endlich, Alter! Wir dachten schon, du kommst zu spät!"
Leicht säuerlich sah Rod erst in Belas frech lächelndes und dann in Farins
schelmisch grinsendes Gesicht, doch innerlich war er hoch zufrieden, denn die
beiden standen dicht beieinander, als wäre nichts gewesen und in die Augen des
Schlagzeugers war etwas zurück gekehrt, was er sehr vermisst hatte.
Augenblicklich war seine Wut verflogen, denn dieses Konzert versprach mehr als
gut zu werden.
"Also komm schon!" "Äh... ja!"
Noch einmal schlugen sie Glück wünschend die Hände zusammen und gingen dann
nacheinander den hell beleuchteten Korridor entlang, Richtung Bühne.


Ist es Traum...
. . .ist es Wirklichkeit?

Ein erleichtertes Seufzen entrann seiner Kehle, als das eisige Wasser kleine
Bäche auf seiner verschwitzten Haut entstehen lies und sein Gesicht von nassen,
klebrigen Haarsträhnen befreite.
Es war wohl eines der besten Konzerte gewesen, die sie je gegeben hatten.
Wie oft hatte er an diesem Abend kurz Jans liebevolles Lächeln hinter seinem
Presse-Grinsen gesehen, wie unvergänglich hatte er sich jedes Mal gefühlt und
wie leidenschaftlich hatte er gespielt. Dieser Abend war nahezu perfekt, wäre
da nicht diese eine Frage, die sich immer noch stechend in seine Gehirnwindungen
bohrte, jetzt, wo er wieder allein war und klar denken konnte:
Wie sollte es weiter gehen?
Er hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, mit seinem Gitarristen zu sprechen und
wenn er ehrlich war, hatte er es auch nicht unbedingt darauf angelegt.
Vielleicht hatte er Angst vor einer Antwort, die ihn noch tiefer verletzte, denn
er war sich sicher, ohne Jan nun nicht mehr leben zu können. Nicht mehr zu
wollen.
Langsam spülte er den Schaum von seinem Körper, das Wasser war noch immer
eisig und eigentlich hasste er es, so kalt zu duschen. Doch für diesen Moment
hatte es ihm mehr Klarheit gegeben, auch wenn sie wohl nicht lange andauern
würde, denn er hörte bereits ein dumpfes Klopfen von der Zimmertür. War er
das?
Hastig tastete er nach dem Wasserhahn und drehte ihn mit sanfter Gewalt zu,
damit der nächtliche Besuch ihn hören konnte:
"Tür ist offen, komm einfach rein!"
Er hörte die Scharniere leise quietschen und das dunkel knarrende Parkett, dann
ein Rascheln.
Mit einer schnellen Handbewegung streifte er Shorts über die Hüfte und schlang
das mittlerweile von seinen Haaren befeuchtete Handtuch um seine Schultern, um
dann im gespielt lässigen Gang zu seinem Bett zu schlendern.
Doch schon in der Tür hielt er inne und betrachtete die schlanke, ein wenig
verloren wirkende Gestalt, die nicht, wie er gedacht hatte, auf dem Bett saß,
sondern am geschlossenen Fenster stand und nachdenklich hinaus in den klaren
Himmel starrte.
Lange standen beide einfach so da, bis Jan das Wort ergriff, wenn seine Stimme
auch sehr leise und etwas kratzig war, wie immer, nach einem Konzert.
"Es tut mir Leid."
Beinahe fiel Bela über einen kleinen Koffer am Boden, als er sich zu dem
Blonden herum wandte, der ihn nun ansah. Er stand da, mit schuldbewussten Augen, nun
mitten im Zimmer, den Kopf leicht gesenkt, gerade so wie ein Kind, dass beim
Kekse stehlen erwischt worden war.
"Wie?" langsam ging Bela auf ihn zu, wagte es aber nicht, ihn zu berühren. Auch
wenn sie vorher so viel innigere Zärtlichkeiten ausgetauscht hatten.
Direkt vor Jan kam er zum Stehen und sah ihn an.
Dieser hob nun den Kopf gänzlich. Seine Mimik war ausdruckslos, doch in seinen
Augen schimmerte kurz etwas Hilflosigkeit.
"Was tut dir Leid, Jan?"
Er legte so viel Sanftmut und Weichheit in seine Stimme, wie ihm möglich war
und er glaubte das Herz seines Freundes hören zu können, wie es wild gegen
dessen Brust hämmerte.

"Alles... der ganze Scheiß."

Kurz drohte er, nach hinten zu fallen, als der Schlagzeuger sich nahezu auf ihn
stürzte und seine starken Arme um ihn schlang. Seine Haut war eiskalt, er
wusste nicht woher, aber das war dem Blonden auch völlig egal und er legte
seinen Zeigefinger vorsichtig unter Belas Kinn. Sofort sah dieser auf und
lächelte immer noch so sanft.
Und genau in dieser Sekunde wurde dem Gitarristen klar, dass es unendlich viel
schöner war, seine Liebe zum lächeln zu bringen, als sie die Schmerzen leiden
zu lassen, die er erst sich selbst und dann ihr zugefügt hatte.
Fast gewaltsam stießen die beiden Köpfe gleichzeitig vor und ließen auf ihre
Lippen bald die gierigen Zungen folgen. Nun schlang auch Jan seine Arme fest um
den breiten, muskulösen Rücken des Schlagzeugers und kostete, längst nicht
mehr so zaghaft, sondern weitaus gieriger seine sehnlichsten Träume aus.
Doch plötzlich erzitterte er wieder, es war wie ein Wechselbad zwischen
Kochwasser und Eiswürfeln, sein Puls spielte verrückt, als die
leidenschaftlichen, geschickten Hände begannen, sein Hemd von unten her auf
zuknöpfen und er spürte, wie Bela ihn in Richtung seines Bettes schob.

Er leugnete nicht, aufgeregt zu sein. Es war für ihn so völlig neu, so
unglaubwürdig, dass es real sein sollte. Aber Gewissheit und Sicherheit war nun
nicht mehr das, was er wollte.
Er wollte Jan. Und zwar ganz.
Etwas zu grob schob er den Blonden über die Matratze, befreite seinen
Oberkörper, welcher sich bereits hastig hob und senkte, von dem weißen Hemd,
was ungeachtet unter dem Himmelbett landete. Nichts war jetzt noch wichtig. Er
brauchte nichts mehr, außer Jan und er fühlte, wie auch sein Puls immer
heftiger gegen seinen Hals schlug, als die schlanken Finger sanft seinen Rücken
entlang strichen, ihn ermutigten, weiter zu gehen.
Und so lies er langsam von den Lippen und der Zunge Jans ab, bewegte sich in
vereinzelten, leidenschaftlichen Mustern und Bewegungen den straffen, noch von
Schweißperlen übersäten Hals hinab. An seinem Schlüsselbein angekommen,
hielt er inne und öffnete mit einer leichtfertigen Bewegung den
Jeansverschluss, um die zu seinem Unglück genau so eng anliegende Hose, wie
seine eigene, abzustreifen. Doch auch seine eigene Nervosität und Sehnsucht
steigerte sich und so sah er keine andere Möglichkeit, als an dem schwarzen
Stoff zu ziehen und zu zerren, bis er die langen, vom joggen durchtrainierten
Beine frei gab und warf die Hose beinahe gereizt weg, um sich wieder voll und
ganz auf Jan zu konzentrieren.
Während er wieder an dem schlanken Körper aufwärts kroch, um mit seiner
Zungenspitze seinen Oberkörper zu kosten, lies er eine Hand die leicht
gespreizten Oberschenkel und den Schaft der Shorts streifen.

Er zitterte, auch wenn sein Blut förmlich durch seine Adern schoss und er vor
Hitze kaum Luft bekam. In seinen Träumen war meist er es gewesen, der die
Initiative ergriff, doch sich von den Zärtlichkeiten des Drummers umschmeicheln
und verwöhnen zu lassen, hatte einfach eine zu verführerische Wirkung auf ihn
und so legte er den Kopf in den Nacken und genoss die heiße Zunge, die kleine,
verspielte Kreise um seinen Bauchnabel zog und glaubte, das diabolische,
verzückte Grinsen Belas spüren zu können, als ihm ein unterdrücktes, leises
Stöhnen entrann.
Die warmen Hände streiften auch das letzte Kleidungsstück von seinen Hüften
und legten sich schützend, aber gefährlich zugleich auf seine Oberschenkel.

Kurz glitt sein Blick zu Jans Gesicht, um abzuschätzen, ob er seine
Leidenschaft teilte, dann umschmeichelte er erst mit den Lippen, dann mit der
Zunge das Glied seines Gitarristen, der nun so viel mehr als "nur" ein Freund
war. Und er konnte nicht leugnen, dass sein Herz laut in seinen Ohren zu pochen
begann, als ein weiteres, euphorischeres Stöhnen aus Jans leicht geöffnetem
Mund entwich, als er bemerkte, wie seine Finger sich in das Laken krallten und
er immer wieder mit stummen Lippen seinen Namen formte:
Dirk.

"Hast du was zu rauchen dabei?"
Elegant lies sie sich auf den Hocker an der Bar sinken und betrachtete den
Bassisten, der in seiner Tasche kramte und dann ein Zippo und die Schachtel
Zigaretten über den Tresen schlittern ließ.
"Solltest nich damit anfangen. Du bist so jung. Du hast dein Leben noch vor
dir."
"Jep." Erwiderte sie nur knapp, um seinen Redefluss zu stoppen und zündete den
Glimmstängel an, stieß kurz darauf genüsslich den blauen Rauch aus.
Rod musterte das Mädchen neben ihm und nickte ihr müde lächelnd zu.
"Was denkst du? Wie geht's ihnen jetzt?" fragte er, beiläufig, als ging es um
das Wetter von gestern und nippte an seinem Glas.
Im gleichen Ton erwiderte sie:
"Sie reden sicher."
Einen Moment lang sahen sie dem jeweils anderen tief in die Augen, dann grinsten
sie sich breit zu.
"Bestimmt!"

Die beiden Körper wurden zu einem Einzigen, als sie sich gegenseitig
berührten, die nackten Hüften aneinander stießen und sie sich immer wieder
küssten, um ganz sicher sein zu könne, dass es wahr war und nicht enden
würde, bevor sie es wollten. Wie in einen komplizierten, anmutigen Tanz
vertieft, lies Jan seine Finger über die gespannte Brust gleiten, streichelte
über die Lenden Belas und spürte seinen heißen Atem in der Halsbeuge, als er
ein leises, aber durchdringendes Stöhnen von sich gab, dass das Feuer der
Wollust nur noch zu schüren schien.

Langsam und schwer atmend sah der Schwarzhaarige auf. Er schmeckte noch immer
den Samen seines Gitarristen, spürte die Sehnsucht seiner eigenen Lenden, wie
sie ihm allmählich die Kraft nahm und wollte mehr, wollte ihn ganz haben.
Er taxierte die vor Lust vernebelten Augen des Blonden und versuchte heraus zu
finden, ob er bereit sei, oder ob er ihn zu sehr verletzen würde.
Auch Jans Atem ging schwer und er schaffte es nur, ein Nicken anzudeuten und ihm
mit den Fingerspitzen durch die Haare zu fahren, ihm so zu suggerieren, was er
wollte.
Erneut begann Bela also, seinen Hals zu küssen, während Jan auf seine kurze
Geste reagierte und die Oberschenkel voneinander spreizte, die Finger bereits
wieder im Satin vergrub und abwartend die Augen schloss.

Wie aus einem Munde stöhnten die beiden auf, als der Schlagzeuger in ihn
eindrang, als er ihn spürte, ganz, vollkommen. Der Schmerz wich bald dem
Vergnügen, der Lust und Jan presste seinen Körper fest an Bela, spannte seine
Muskeln an und erwiderte nun die Bewegungen, die er spürte.


Epilog: Es war ein langer Weg...
. . . doch wir mussten ihn gehen

"Okay, danke für die Info..." lächelte Rod die junge Frau an der Rezeption
müde an und machte sich, die Hände in den Taschen vergraben, auf den Weg
zurück zum Speisesaal. Er hatte schon geahnt, dass sie noch in der Nacht
abgereist war. Aber trotzdem hatte er gehofft, es würde anders sein. Die Kleine
war plötzlich in Belas Leben aufgetaucht, er hatte ihm einmal davon erzählt,
hatte ihm geduldig zu gehört und ihm einen Stoß in die Realität verpasst, um
dann wieder zu verschwinden. Sie würden sich wohl nicht wieder sehen, denn Rod
hatte durchaus längst durchschaut, was in den beiden Sturköpfen, die er seine
besten Freunde nannte, vorging. Er hatte nur allein nicht gegen diesen Wall von
Stolz ankommen können, geschweige denn die beiden selbst. Sie hatten noch ein
Gegengewicht gebraucht, dass Bela und Farin zur Überwindung brachte.
Und dieses Gegengewicht hatte der Schlagzeuger in einer engen Freundin
gefunden.
So tief in Gedanken versunken bemerkte er erst im letzten Moment, dass sein
Bassroadie beinahe in ihn hineingelaufen wäre. Rod sah in sein Gesicht und
grinste unweigerlich breit. Die Crew hatte das Ende der Tour ausgiebig gefeiert
und einer nach dem anderen kam völlig verkatert die Treppe hinunter
geschlurft.
"Wo sin´n Dirk und Jan?" krächzte Lüde ihm entgegen, was Rod nicht wunderte,
zumindest Farin war sonst einer der ersten, die morgens zur Abreise bereit
waren. Er hätte es ihnen sagen können, hätte breit grinsend antworten
können, dass die beiden lieber zu zweit weiter gefeiert hatten, schließlich
war man diese vom Tourkoller, wie Hagen es einmal passend betitelt hatte,
abhängigen Scherze gewohnt und würde nur debil grinsend verschwinden, aber da
er es in diesem Fall, wo ein perverser Witz der Wahrheit entsprach, als
unpassend empfand, zog er nur die Schultern hoch.
"Pennen sicher noch."

Müde blinzelte er gegen das trübe Licht der Herbstsonne, die ihre Strahlen
grau und kalt durch das Zimmer warf. Fröstelnd, die Heizung schien tatsächlich
ausgefallen, zog er sich näher an den warmen Körper heran, der so fühlbar
anders war als der einer Frau. Wenn er morgens neben seiner Freundin aufgewacht
war, dann duftete sie wie ein ganzes Meer aus Blumen und Früchten, süß und
zart. Wenn er jetzt aber die Augen schloss und tief ein atmete, dann roch er
klare, leicht moosige Luft, als würde er an einem See im Wald stehen und der
Wind fuhr sanft durch seine Haare.
Wieder öffnete er die Augen, lies sich nicht vom Tageslicht beirren und
betrachtete das vom Schlaf entspannte Gesicht, aus dem jede Blässe gewichen
war. Ein paar nasse Haarsträhnen fielen Bela vor die Augen und Farin hob die
Hand leicht, strich sie bei Seite und lies sie Hand hinter seinem Rücken
ruhen.
Früher, wenn er vor Bela wach wurde und einen kurzen Blick in seine Buskoje
warf, lag der Drummer stets zusammengerollt wie eine Katze da, als würde er
sich selbst vor etwas schützen wollen, den Kopf leicht angezogen, die Decke bis
zum Kinn. Jetzt lag er in seiner Umarmung ausgestreckt da, sein Gesicht war
aufgerichtet, seine Lippen durch einen kleinen Spalt voneinander getrennt.
Er schien sich sicher zu fühlen und diese Vorstellung, die Tatsache das er
keinen Gram gegen ihn hegte, war eine Art Erfüllung.
Langsam begannen Belas Augenlider zu flattern und Farin stellte sich, immer noch
mit einem verliebten Lächeln, schlafend, interessiert an seiner Reaktion.

Einen Moment lang war er verwirrt, konnte kaum glauben, dass er nicht nur
geträumt hatte und lies seinen Blick schweifen, erst über seine Schulter
hinweg, bemerkte die schützend um ihn geschlungenen Arme Jans, die langen
Finger, die weit ausgestreckt waren und sich flüchtig kreuzten, um ihn fest zu
halten.
Dann folgte er mit den Augen der geraden Linie, die der linke Oberarm Jans
bildete, bis zu seinem Schlüsselbein und seiner Brust, die sich gleichmäßig
hob und senkte. Vorsichtig legte er eine Hand darauf, spürte den pulsierenden
Herzschlag seines Gegenübers und schlang kurz darauf seine Arme um dessen Hals,
lehnte seinen Kopf gegen seine Halsbeuge und hauchte einen leisen Kuss auf die
helle Haut.
Als der nahezu perfekte Oberkörper zusammenzuckte, hob er seinen Kopf und sah
in die braun-grünen, müde glänzenden Augen.
Ein Lächeln zog sich nun auch über seine eigenen schmalen Lippen.

"Morgen." Brachte Farin gerade so hervor und lag einfach da, wie kraftlos und
erschöpft. Er versank sofort danach mit diesem einen bleiernen Wort in dem
Bergsee, der in Belas Augen glitzerte.
Der Schlagzeuger schien sich dieser Fähigkeit, die ihm gegeben war, bewusst,
schob eine Hand auf seinen Hinterkopf und zog ihn zu sich hinunter.
Farin schloss bereits die Augen, seine Lippen schmerzten vor Sehnsucht, doch
sein Gegenüber lehnte sich an seinem Gesicht vorbei und flüsterte ihm, noch
heiser vor Müdigkeit ins Ohr:
"Happy Birthday, Sündiger!"
Unweigerlich grinste er, schob seinen Kopf zurück und lehnte sich über den auf
dem Rücken liegenden Schlagzeuger. Der lächelte nur verschmitzt, er hatte ihn
auf eine eigentümliche Art gestern Nacht vor einem Tortenhagel bewahrt.

"Eigentlich ist heute der 26., aber trotzdem danke!" wisperte der Gitarrist ihm
auf den Hals, bevor er jenen mit sachten Küssen bedeckte.
Erst war der Schlagzeuger überrascht, seufzte innerlich, strich dann aber
genießend durch den platinblonden Schopf und grinste in sich hinein:


"Dann feiern wir eben noch mal rein."

 
Wer das ist.  
  .hat Geschichten im Kopf seit sie denken kann.

.schreibt sie nieder seit sie das Alphabet beherrscht.

.veröffentlicht sie seit das WWW den Wald erreichte.

.wartet jetzt mit einer kleinen Bibliothek online auf.

.hofft, dass dir ihre Prosa zusagt und du ihr eine Nachricht hinterlässt ;)
 
SCHNEE VON GESTERN  
  Gut. Vielleicht reicht es nicht, für bestimmte Wettbewerbe. Dann kann ich den Text wenigstens hier veröffentlichen. Wie gefällt euch HörenSagen?  
Sonst irgendwo noch Wetterstationen?  
  Gesicht im Buch DuRöhrst StudentenVerzeichnis  
getippter Text von heute Nacht  
  Martin saß seit Stunden da und starrte. Als er auf dem Weg zum Bus inne gehalten, das Telefon kaum geistesgegenwärtig wieder in die Innentasche seines Sakkos hatte gleiten lassen, war es gerade hell geworden. Jetzt spürte er den Schatten seiner eigenen Nase in seinem Gesicht, so hoch stand die Sonne. Die rundliche Spitze des niedrigen Pfeilers, auf dem er mit seinem über die Jahre immer dicker gewordenen Hintern lehnte, war kalt und ziemlich unbequem. Martin bemerkte das nicht. Er bemerkte auch nicht die alte Frau mit dem kleinen Hund, den 'jungen Mann' ansprach und fragte, ob er Hilfe bräuchte. In der Tat sah Martin vielleicht ein wenig danach aus. Es war einer der ersten Tage in seiner neuen Schale.
Obwohl er sich mittlerweile täglich rasierte, blieb das stoppelige, unausgeschlafene Gefühl in seinem Gesicht hängen. Auch in seinem neuen Leben blieben seine Augen, wie sie waren. Von roten Äderchen durchzogen, blutunterlaufen, ragten sie ein Stück zu weit aus den großen Höhlen hervor.
Er versuchte, regelmäßig seine Nägel zu schneiden, aber sie wurden niemals richtig schön. Er bekam das noch nicht hin, die Linie gerade krumm zu halten.
 
Noch was?  
  Studieren strengt an.  
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