von 2oo5
By My Side
cold, starry sky
Die letzten Töne seiner Gitarre verhallen zwischen den Bäumen, und das knistern des Lagerfeuers wird wieder zur einzigen Unterbrechung der nächtlichen Stille.
Gedankenverloren schiebt er das Instrument bei Seite und zieht sich eine Steppdecke über die Oberschenkel.
Zwar ist ihm so nicht viel wärmer, aber er kann sich zumindest einbilden, etwas besser geschützt zu sein.
Schließlich lehnt er sich wieder gegen den Baumstumpf und starrt in die hungrigen Flammen, die gierig am trockenen Buchenholz entlang züngeln.
Als er bemerkt, wie die Äste langsam in sich zusammen fallen, greift er nach ein paar weiteren Stöcken und wirft sie mitten in das Feuer.
Funken sprühen nach oben, einige glühende Teile der aufgewirbelten Asche landen auf dem schwarzen Hund, der bis eben zusammengekauert vor dem Feuer gelegen hat.
Auch jetzt richtet sich der alte Schnauzer nicht auf, lässt lediglich ein dunkles Grollen vernehmen, dass schon so manchem eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hat.
Der Blonde zieht leicht einen Mundwinkel nach oben und antwortet:
"Du knurrst schon wie ein seniler Pudel, Alterchen!"
Als würde das Tier sich beleidigt fühlen, fährt es urplötzlich nach oben und mustert sein Gegenüber aus tiefen, schwarzen Augen.
Die sanfte Geste des jungen Mannes hat sich nun in ein neckisches Lächeln verwandelt, dass den Hund wieder zu beruhigen scheint.
Das schwarze Ungetüm erhebt sich langsam und trottet auf den Blonden zu, um sich kurz darauf quer über dessen Oberschenkel zu legen, als hätte er die Absicht, den frierenden Freund zu wärmen.
Der fährt mit der Hand behutsam durch das dichte, raue Fell während er seinen Blick über das dürftige Nachtlager gleiten lässt.
Einige Meter entfernt steht sein Fahrrad, mitten im Wald geparkt.
Um das Feuer Herum liegen trocknende Sachen, Lebensmittel, gestapelte Sixpacks Mineralwasser, ein Gaskocher, eine Decke und sein Schlafsack nebst Kissen.
Das Zelt liegt unaufgebaut in einer Ecke, daneben einige Schachteln Hundefutter.
Seufzend lässt er seinen Blick auf dem schwarzen Schnauzer ruhen, der tief zu schlafen scheint.
"Tja, Elvis... ich hoffe, dir gefällt unser Urlaub..."
Langsam lehnt der Blonde sich zurück und betrachtet noch einige Momente die hell strahlenden Sterne und vergleicht sie mit den Sternen über Berlin, bis ihm schließlich die Augen zufallen und er bald darauf im Reich der Träume versinkt.
Urplötzlich schießt der Kopf des Hundes in die Höhe.
Panisch sieht er sich um, mustert kurz das Gesicht des Blonden, der nun tief schläft. Langsam erhebt er sich, stets darauf bedacht, den Mann unter ihm nicht zu wecken.
Mit beinahe lautlosen Schritten springt er über ein paar Wurzeln und geht einige Meter in den Wald hinein, noch immer nach der dritten Person auf dieser Lichtung suchend, dessen Anwesenheit er genau spüren kann.
Plötzlich schlingt sich eine Hand um die Kehle des Hundes, der würgt und jappst, wirft den Kopf suchend hin und her, doch niemand ist zu sehen.
Der Wald scheint still vor ihm zu liegen, und doch wird der Griff um seinen Hals immer fester, er selbst immer panischer.
Mit einer ruckartigen Bewegung jedoch, schnappt der Schwarze nach der Hand, erwischt diese auch sogleich und jagt die spitzen Zähne weit in das Fleisch.
Der Hund hört ein ersticktes Keuchen und merkt, wie sich die unsichtbare Hand mit roher Gewalt aus seinem Kiefer löst.
Noch immer erblickt er niemanden, hört jedoch sachte, behutsame Schritte auf dem weichen Waldboden.
Gerade will er dem Geräusch folgen, als eine Schleiereule laut schreiend aus einer alten Linde aufsteigt.
Vergebens versucht der Schnauzer, die Spur wieder zufinden und nachdem sein wachsamer Blick noch ein paar mal über die Lichtung geglitten ist, ohne auf etwas aufmerksam zu werden, trottet er schließlich zurück zum Lager, wo der Blonde noch immer seelenruhig liegt und schläft...
"Autsch! Verdammte Sch..."
"Nein, dann würde es ja nicht so weh tun."
Fällt das junge Mädchen ihm ins Wort.
Grob zurrt sie den Verband an seiner Hand fest und reißt den Rest der Mullbinde mit den scharfen Fingernägeln ab.
Resignierend sieht der Braunhaarige auf die versorgte Wunde.
"Okay, okay... aber ich weiß schon, warum ich Hunde nicht ausstehen kann!"
Sie streicht sich seufzend das weißblonde Haar zurück und sieht ihn aus hellblauen Augen an.
"Und wenn dich morgen ein Fuchs beißen würde, dann würdest du morgen Füchse hassen, wenn dich übermorgen eine Eule kratzt, hasst du übermorgen Eulen..."
"Schon gut Synthia!" der Braunhaarige hebt beschwichtigend die Hände.
"Ich, Rodrigo Andres, Erbe des Schlosses der ehrenwerten Familie Gonzales-Espindola, schwöre hiermit all meinem Hass auf Hunde und andere Wesen, die mich beißen, zerkratzen, zerfleischen und zerrupfen könnten ab!"
Schon zieht sich ein Lächeln über das blasse Gesicht des Mädchens.
"Ja, schon klar aber sag mal..." sofort wirkt sie wieder nachdenklich,
"Du sagtest, es hat sich jemand im Wald eingenistet?"
Der Ältere nickt.
"Irgend so ein Typ... sieht nach nem Camper aus. Ich wollte ihn ja verjagen, aber sein Hund..."
Dabei sieht er zerknirscht auf die geschundene Hand.
"Na, du siehst ja. Glaubst du, wir sollten die Grafen davon unterrichten?"
Synthia´s Mine wird schlagartig ausdruckslos und ein wenig traurig:
"Wahrscheinlich solltest du das."
Innerlich bestraft Rodrigo sich selbst für seinen Fehltritt und sieht sie mitleidig an.
"Du meinst, du willst nicht..."
"Nein!" sie schüttelt nur den Kopf.
"Mir ist nicht gut, sag ihnen bitte, dass ich mich etwas hingelegt habe, um mich auszukurieren, ja?"
Er nickt bloß, klopft ihr noch einmal behutsam auf die Schulter, erhebt sich und tritt an die Schwelle des kleinen Hauses.
Mit einem letzten Seitenblick auf das junge Mädchen wird er ganz plötzlich unsichtbar und schreitet lautlos den mondbeschienenen Hügel hinab, durch das hohe, weiche Gras in den Wald hinein.
Seufzend betrachtet der junge Graf sich in einem langen Spiegel.
Die rabenschwarzen Haare straff zurück gebunden, den Umhangkragen nach oben geklappt, so das die schmalen Schultern ein wenig breiter erscheinen.
Um seinen Hals liegen zwei dünne silberne Ketten, genau wie um die schlanken Handgelenke.
Die Ohrringe blitzen an beiden Seiten auffallend hell, da er völlig in einen schwarzen Anzug und den Umhang gehüllt ist.
Langsam tritt er näher an den Spiegel heran, um sich genauer mit dem Foto im Rahmen vergleichen zu können. Darauf ist ein Mann mittleren Alters abgebildet.
Das gleiche, rabenschwarze Haar, das glatt nach hinten gekämmt liegt und schmale, dunkle Mandelaugen, die den Betrachter des Fotos eindringlich mustern.
Enttäuscht betrachtet der junge Mann im Spiegel seine eigenen, hellen, grünblauen Katzenaugen.
Unwirsch reißt er sich das schwarze Gewand von den Schultern.
Dem Umhang zusammenfaltend und wieder auf das große Himmelbett werfend wendet er sich um und tritt an das weit geöffnete Fenster des Schlosses.
Die Nachtluft streift sanft sein Gesicht und kühlt das Gemüt.
Von dieser Höhe kann er das gesamte Tal überblicken, dass überflutet vom Mondlicht, jedoch gut versteckt hinter Bergen liegt.
Gedankenverloren sieht er hinauf zum tiefschwarzen Nachthimmel, an dessen Decke unzählige Sterne blitzen und funkeln.
dark intrigue
KLIRR
Erschrocken fährt der junge Graf, aus seiner Trance gerissen, herum.
Das Geräusch, ähnlich dem von zerspringendem Glas, leitet von der Eingangshalle her.
Verwundert geht er auf leisen Solen quer durch den Raum hinüber zu der alten, eisenbesetzten Holztür, die auf den Flur hinaus führt.
Trotz das sie scheinbar schwer über den Boden schleift, öffnet der junge Mann sie mit einem sanften Druck seiner Hände.
Als er hinaus auf den Gang tritt, kneift er kurz die Augen zusammen; die hellen Kerzenlichter blenden ihn ein wenig.
Noch immer leicht blinzelnd tritt er an das Geländer heran, welches den Flur von der unten gelegenen Vorhalle trennt.
Einige Meter unter ihm hockt eines der Hausmädchen und kehrt eilends ein paar Scherben zusammen.
"Und pass ja auf, dass das nicht noch mal passiert!" weißt eine raue Stimme sie schroff zurecht.
Es ist ein Mann mittleren Alters, der, gehüllt in feinen moosgrünen Samt, ein paar Meter entfernt steht.
Eine hakige, lange Nase sticht aus dem fahlen, knochigen Gesicht hervor.
Die hüftlangen, öligen, von grauen Strähnen durchzogenen Haare sind zu einem festen Zopf geflochten und betonen die magere, fast schon dürre Gestalt des Mannes.
Mit einem erniedrigenden Blick auf das Mädchen wendet er sich von ihr ab und will gerade einen hohen, von Leuchtern gesäumten Gang betreten...
"Onkel! Was machst du hier? Habt ihr eine Versammlung?" platzt es aus ihm hervor.
Der Ältere bleibt stehen, wendet sich forsch um, gerade so, dass er seinem Neffen einen eisigen Blick zuwerfen kann.
"Für dich immer noch Graf Gerade!"
Während er diese Worte ausspricht, blitzen die langen weißen Eckzähne gefährlich wie die eines Raubtieres, ebenso die zu Schlitzen verengten Augen.
Der junge Mann steht, die Hände an das Geländer gelegt da und sieht ihn weiter ungerührt an.
"Ja. Und? Was treibt d... euch hier her?"
Graf Gerade rümpft verächtlich seine lange Nase.
"Eine Versammlung."
Ohne ihm ein weiteres Wort zu genehmigen dreht er sich auf dem Absatz um und schreitet mit wehendem Samtumhang davon.
Einige Momente bleibt er noch am Geländer stehen.
Erst als er sicher ist, das sein Onkel nicht noch einmal zurück kehrt fährt er herum und schlägt wütend seine Zimmertür hinter sich zu.
"Diese elenden, spitzohrigen... wie konnten sie???" flucht er leise vor sich hin, während er den Umhang überwirft, den Zopf noch einmal zurecht rückt und die Lidstriche mit Kajal nachzieht.
Immer noch aufgebracht über sein Unwissen stößt er die Tür wieder auf, schreitet im springenden Gang die Treppe zur Eingangshalle hinab und hastet schon beinahe den Marmornen Flur entlang zum großen Speisesaal.
Laut krachend fliegt das meterhohe Holzportal zur Seite, einige Splitter fliegen durch die Luft, während der junge Graf, ohne große Umschweife und mit gleichgültigem Gesichtsausdruck die Halle durchschreitet, um sich auf den schwarzen Ohrensessel an der Tischseite bei der Fensterfront sinken zu lassen.
Um die reich gefüllte Tafel verteilt sitzen Personen in schwarzen Gewändern. Allesamt starren den jungen Mann an, der nun die Ellenbogen auf den Tisch legt und die Hände verschränkt.
"Guten Abend, B..." setzt ein junges Mädchen an.
Sie sitzt ein paar Plätze entfernt auf der anderen Tischseite.
Nun funkelt sie ihre Mutter aus den tiefblauen Augen an, die ihr den Ellenbogen in die Seite gestoßen hat, um ihre Rede zu stoppen.
"Guten Abend, Zahara."
Erwidert der Angesprochene lächelnd, nur um danach kalt in die Runde zu starren.
"Warum weiß ich nichts von dieser Versammlung?"
Dabei fällt sein Blick auf einen breitschultrigen, großen Mann.
Der zieht unbeeindruckt die Augenbrauen nach oben.
"Oh, du wusstest nichts davon, Dirk? Das tut mir Leid."
Seine Rede, durchzogen von deutlicher Ironie, veranlasst den Rest der Verwandtschaft zu einem mehr oder weniger versteckten, herablassenden Lächeln.
Trotz das in seinen Augen Wut aufblitzt, bleibt die Stimme des jungen Mannes neutral. "Nein, wusste ich nicht. Guten Abend jedenfalls, liebe Familie."
Sichtlich ein wenig amüsiert kräuselt er die Lippen.
"Guten Abend, Master."
Ein Hausmädchen tritt an die Tafel und füllt das Rotweinglas des jungen Grafen.
Dabei zittert ihre dünne Hand sichtlich, während sie ihre Lippen zu einem Lächeln zwingt. Ebenso flüchtig wie zuvor Zahara schenkt er ihr einen freundlichen Blick und schwenkt das gefüllte Weinglas in der rechten Hand.
"Also, verehrte Verwandte, was führt mich zu eurem überstürzten, freundlichen Besuch?" - "Nun," der breitschultrige Mann, an der Stirn der Tafel sitzend, lässt seinen Blick noch kurz durch die Runde schweifen, bevor er direkten Augenkontakt mit dem jungen Graf aufnimmt,
"Dirk, wir haben über deine Zukunft geredet."
"Und über deine nahe liegende Hochzeit."
Kichert Zaharas Muter, wobei ihr dicker Hals merkwürdig zittert.
Die Rothaarige neben ihr krümmt die Mundwinkel nach unten und rümpft, scheinbar von ihrer eigenen Mutter angewidert, die Nase.
Ein paar der roten Locken fallen ihr ins Gesicht, als sie dem Schwarzhaarigen einen mitleidigen Blick zuwirft.
Der ist nun plötzlich bleich.
Ein abwesender Ausdruck liegt in seinen Augen, bis er gleichgültig über die Lippen bringt: "Ich werde nicht heiraten."
"Oh sicher wirst du das!" grinst nun ein ungefähr Gleichaltriger gehässig.
Er sitzt ihm direkt gegenüber, seine kurzen braunen Haare sind zu einem braven Seitenscheitel geplättet, in seinen Mandelaugen liegt ein genüssliches Funkeln.
"Du willst dich doch nicht etwa der Baroness von Weißensee verweigern, Cousin?"
Der Angesprochene schnaubt verächtlich und will gerade etwas erwidern, als plötzlich ein lautes Scheppern die Halle durchdringt.
Ruckartig bewegen sich alle Köpfe in Richtung Portal, wo nun diverse Rüstungsteile der alten Ritterstatue herum rollen.
"Fuck!" flucht jemand laut.
Wie aus dem Nichts erscheint plötzlich ein junger Mann in der Halle.
Hastig ordnet er sich die zerzausten Haare ein wenig und vergräbt die Hände in den Hosentaschen seines schwarzen Anzuges.
"Rodrigo, sieh an!" schnarrt Gerade und bedenkt ihn mit einem strengen Blick.
Sofort macht der junge Mann einen tiefen Knicks vor der gesamten Grafenfamilie.
"Ich will lediglich etwas melden, was euch vielleicht interessieren sollte."
Gelangweilt lässt der Braunhaarige am Tisch einen langen Seufzer hören.
Gerade wirft ihm einen bösen Blick zu, verschränkt dann jedoch erwartend die Arme ineinander uns sieht Rodrigo fragend an.
"Also?"
Der junge Erbe lächelt selbstsicher:
"Nun, ich erinnere mich gut an den Tag der Weihe, als der damalige Graf gebot, dieses Tal von Sterblichen fern und sauber zu halten..."
Der breitschultrige Mann macht eine verwerfende Geste.
"Komm zum Punkt!"
Rodrigo schenkt ihm ein bitteres Lächeln, nickt jedoch:
"Nun, Luzifer, scheinbar hat sich jemand erdreistet, hier ein Lager aufzuschlagen."
Sofort sieht Graf Luzifer auf, seine Augen funkeln.
"Und du hast ihn gleich vernichtet, nicht wahr?"
In seiner Stimme liegt bebender Nachdruck, der dem Braunhaarigen eine Gänsehaut über den Rücken jagt.
Plötzlich wird er ein wenig bleich, ballt die Hände nervös zu Fäusten und knirscht hörbar mit den Zähnen bis er stammelnd von sich gibt:
"Also... na ja... nicht direkt, ich..."
Gerade fährt wütend nach oben und brüllt heiser:
"Du weißt genauso gut wie jeder andere hier, dass Normalsterbliche nichts im Tal zu suchen haben!"
Unweigerlich zuckt Rodrigo zusammen und winselt:
"Ich weiß..."
Abermals will Gerade seine Stimme erheben, doch Luzifer fährt schneidend dazwischen:
"Ruhe! Es ist jetzt egal, ob ein Untertan",
der Braunhaarige sieht zwar mit einem Blick voller Reue, jedoch kurz mit spürbarem Hass auf,
"nun gehorcht hat oder nicht. In jedem Fall muss sich jemand finden, der diese Menschenbrut auslöscht."
Beim letzen Wort blitzten seine spitzen Zähne im Kerzenschein.
Plötzlich kommt dem jungen Grafen eine Idee.
Er stößt den Stuhl zurück und legt die Hände auf die Marmortischplatte.
Die Blicke seiner Verwandten schweifen zu ihm, fragend, jedoch nicht sonderlich achtsam.
"Ich werde diese Aufgabe übernehmen."
Einen Moment lang herrscht tief entsetztes Schweigen, keiner scheint wirklich ernst nehmen zu wollen, was der Spross des alten Grafen so eben gesagt hat.
Die Mutter Zaharas hat sich an ihrem Chianti verschluckt und besprüht die ihr Gegenübersitzenden nun mit Speichel, Wein und Bratensoße.
Die Grafschaft sieht weiterhin entsetzt zu dem jungen Mann hinauf, bis dessen Onkel Luzifer plötzlich hinterlistig grinst.
"Nun, Dirk..."
Das Rothaarige Mädchen schlägt überraschend kräftig mit der Faust auf den Tisch und sieht blitzend zu ihm hinüber.
"Mein Cousin heißt Bela!"
Erst will er ihr etwas sagen, grinst dann jedoch nur weiterhin dreckig und beginnt seinen Satz von neuem:
"Also, Bela, wenn du das so willst, dann geh meinetwegen! Aber wenn, dann jetzt gleich!!!" schnarrt er in gefährlichem Ton.
Kurz blitzt Überraschung in seinem Blick auf.
Er scheint unsicher zu werden, doch schließlich nickt er entschlossen, wendet sich um und schreitet eilig aus der Halle.
"Du darfst auch gehen, Rodrigo."
Gibt der Graf noch gleichgültig von sich.
Einen Moment sieht der Braunhaarige von der Tafel zum Portal und zurück, scheinbar erwägend, was in seiner Situation schlauer wäre, bis er sich dann entscheidet, ebenfalls den Saal zu verlassen.
Die schwarz gekleideten Gestalten um die Marmorplatte herum starren immer noch ungläubig zu Luzifer auf.
Alle, bis auf Zahara, die, in ihren Stuhl zurück gelehnt zufrieden die Arme verschränkt,
stolz über den Rest Ehre ihres Cousins, den sie retten konnte.
"Ach und... Zahara?"
Der scharfe Ton in der Stimme ihres Onkels lässt sie aufschrecken.
"Ja?"
"Raus!"
Zuerst will sie protestieren, sieht dann jedoch den widerlich devoten Blick, den ihre Mutter ihren höher gestellten Brüdern zuwirft und erhebt sich mit einem empörten Schnauben.
"Bela, jetzt warte doch mal!"
Als Rod endlich schnaufend im Türrahmen von Belas Gemächern lehnt, ist der bereits wühlend in seinem Kleiderschrank verschwunden.
Scheinbar sucht er etwas bestimmtes, während er den gesamten Inhalt seiner großen Eichentruhe achtlos hinter sich wirft.
Rod geht langsam auf ihn zu und setzt sich auf den Schreibtisch seines Freundes.
"Willst du das echt machen?"
Der Schwarzhaarige taucht hinter dem Berg an Umhängen und Sackos auf.
"Was?"
"Na diese Sache mit dem Sterblichen."
Augenblicklich steht der junge Graf auf und sieht ihn erst eine Weile an,
bis sein Blick auf sein Ebenbild im Spiegel fällt.
"Natürlich. Ein Mann ein Wort..."
"Gesagt, getan, eine Frau, ein ganzer Roman!"
Die beiden jungen Männer wenden sich erschrocken zum Eingang des Zimmers um.
Zahara steht dort und streicht sich eine der widerspenstigen Locken zurück.
Der Spruch, der eben noch so leicht über ihre Lippen geglitten ist, hat Bela zu einem Grinsen verleitet, doch das Gesicht seiner Cousine ist sehr ernst.
"Bela, ich werde dir helfen, da kannst du sicher sein!"
Die Mine des Älteren versteinert.
"Aber..."
"Genau, Bela! Ich helfe dir ebenfalls! Mit mir kannst du rechnen."
Rod ist aufgestanden und klopft seinem Freund grinsend auf die Schulter.
Doch der junge Graf sieht stur zwischen den beiden hin und her.
Schon wieder scheint ihm niemand richtig zu zuhören, dass kippt die Waage seiner Gelassenheit plötzlich.
"Ihr versteht das nicht!", faucht er, die Hände zu Fäusten geballt.
Seine Fingerknöchel treten im Kerzenlicht weiß hervor.
Die Beiden sehen ihn tatsächlich verständnislos an.
"Das ist meine Chance!
Endlich kann ich beweisen, dass ich ein echter Vampir bin und mehr wert als ein herablassendes Lächeln.
Deswegen muss ich das allein machen, tut mir Leid."
Rod schürzt säuerlich die Lippen, sagt aber nichts mehr und sieht seinen besten Freund schweigend an.
Zahara aber gestikuliert aufgebracht mit den Armen.
"Aber Bela ich... du musst nichts beweisen, nur weil du..."
Sie bricht ab, findet nicht die richtigen Worte, um ihm ihre Wertschätzung auszusprechen.
Doch der Schwarzhaarige interpretiert das anders als gewollt.
Mit einem giftigen Blick zu ihr faucht er weiter:
"Weil ich was?
Du meinst weil ich nicht reinblütig bin?
Weil ich keine Vampire auferstehen lassen kann?
Weil meine Mutter eine elende, sterbliche Schlampe war???"
Er atmet schwer, seine Augen glänzen wütend.
Zahara und Rod sehen ihn beide entsetzt an, sie haben nicht mit einem so plötzlichen Gefühlsausbruch gerechnet.
Erneut dringt Zaharas vorsichtige Stimme an sein Ohr:
"Aber Bela, jetzt versteh doch..."
Der Schwarzhaarige jedoch will nicht verstehen und wirft ihr einen hasserfüllten Blick zu.
Mit kalt blitzenden Augen zischt er zwei Worte, die seine Cousine ungeahnt verletzen.
"Verschwinde endlich!"
Einige Sekunden steht sie wie vom Donner gerührt da.
Sie dreht sich auf dem Absatz um und stürmt ohne ein weiteres Wort nach draußen.
Bela atmet schwer, greift sich mit einer Hand an die Stirn, als ihn plötzlich eine Ohrfeige trifft.
Sein Kopf beugt sich von der Wucht des Schlags getroffen zur Seite.
Aus dem Augenwinkel erkennt er jedoch Rod, der ihn kühl ansieht.
"Hast du sie noch alle? Was ist denn los mit dir? Du weißt genau, dass Zahara dir nur helfen will. Genau wie ich... und wie Synthia."
Als der Name seiner Verlobten fällt, wird Belas Mine nur noch betrübter.
Er senkt den Blick, so dass sein Gesicht nicht erkennbar ist.
Als er wieder aufsieht hat er ein schiefes Lächeln im Gesicht.
"Ich weiß... Gehst du ihr hinterher und sagst ihr eine Entschuldigung?
Ich muss mich vorbereiten..."
Gerade sitzt in einem der dunkelroten, mit Samt überzogenen Ohrensessel und starrt in die knisternden Flammen, seine Augen sind glasig und nachdenklich.
"Was hast du, Bruder?" schnarrt Luzifer und lässt sich neben ihn in seinen Sessel sinken.
Er drückt ihm ein Glas voll roter, dicker Flüssigkeit in die Hand, das der Ältere in einem Zug leert.
"Wie ist dein Plan?"
Der Schwarzhaarige sieht ihn mit hochgezogener Augenbraue an, scheint seine Frage nicht recht wahr zu nehmen.
Wütend blitzt Gerade ihn nun an.
"Du willst Dirk nicht im Ernst diese Aufgabe erledigen lassen???
Du weißt, dass wir ihn dann weihen müssen!"
Luzifer fährt sich jedoch leichten Gemüts durch sein rabenschwarzes Haar und lächelt in das flackernde Feuer.
"Mein lieber Bruder... Hältst du wirklich so wenig auf meine strategischen Fähigkeiten?
Ich bin mir wohl bewusst dessen, was in unseren Gesetzen steht.
Aber wer sagt, dass diese Weihe je statt findet, wenn unser geliebter Neffe vorher... einen normalen Menschen heiratet?"
Auf Gerades Gesicht breitet sich erst Erleichterung, dann aber ein gewisser Hohn aus, der sich sogleich auf seine kratzige Stimme überträgt:
"Und wenn er Synthia heiratet, dann verschlägt er, ohne es selbst zu wissen, sein Erbe und das heißt..."
Sich genüsslich über die Lippen leckend ergänzt Luzifer mit hämischem Grinsen:
"Das heißt, dass das ganze Erbe unseres Bruders auf uns beide zurück fällt.
Aber ich dachte, wir lassen ihn zuerst noch eine Kleinigkeit erledigen, bevor Dirk in den Hafen der Ehe segelt!"
hat over heels
Zitternd zieht er seinen Fuß wieder aus dem kalten Bergseewasser und umklammert sich in der Kälte des früh morgendlichen Windes.
Verständnislos schaut er dem Hünen von einem Hund hinterher, der laut kläffend in das eisige Wasser springt und durstig ein paar Schlucke trinkt.
"Was bist du eigentlich für ein Monster, Elvis?" bibbert er zwischen klappernden Zähnen hindurch, ohne eine Antwort von seinem Schnauzer zu erwarten.
Ein weiteres Mal ungewaschen hockt er sich wieder zwischen das Wirrwarr an Zeltbestandteilen und dreht die Flamme des kleinen Gaskochers runter.
Gierig nach einem Löffel tastend, nimmt er die Dose lauwarmer Makkaroni in die linke Hand und beginnt kurz darauf, mit dem dürftigen Altbesteck so viele wie es geht auf einmal hinunter zu schlingen.
Seufzend lässt er die bald schon völlig geleerte Konserve auf den Boden sinken und lehnt sich gegen die kleine Steinbank, die am Seeufer steht und sicher ein sehr romantischer Platz wäre, hätte er nicht vor ein paar Wochen seinen Job, seine Band - die sein ganzer Stolz war - und zu allem Überfluss auch noch seine Liebe verloren.
Er spürt, der plötzlich aufkommenden Gefühle wegen, ein kurzes Würgen und Zucken seiner Innereien, dann jedoch stille, zerfetzende Leere.
Tage lang hatte er sich am Ende seiner Kräfte gefühlt, hatte geglaubt, dass nichts mehr Sinn hatte, ein Zynismus der für ihm mehr als ungewöhnlich war.
Ein lautes Knurren lässt ihn wieder aufschrecken und sein Blick fällt auf den schwarzen Schnauzer, der ihn aus wachen, dunklen Augen ansieht.
Über sein Gesicht zieht sich nun ein Lächeln, wenigstens Elvis ist ihm treu geblieben, auch nach seiner Glückssträhne.
Doch es sind nicht die gewöhnlichen Laute die er seit 11 Jahren von sich gibt, wenn er beachtet werden will.
Der Hund hat irgend etwas gesehen, vielleicht einen Fuchs oder ein Kaninchen, oder aber er hört wieder nur die Mäuse unter ihm im Waldboden.
Trotz das der Blonde nichts sonderbares erwartet folgt er der Aufforderung seines Gefährten und geht einige Meter zu ihm.
Kaum ist er aber bei ihm angekommen und will sich zu ihm hinunter beugen, da springt der Hund aus seinem Sitz auf und läuft quer über die Lichtung, ein Stück in den Wald hinein.
Der junge Mann verdreht ein wenig die Augen.
"Komm runter, alter Junge, was ist denn da???"
Ruhigen und lässigen Schrittes folgt er willig und späht, als er an den ersten Bäumen ankommt, zwischen denen der Hund hindurch gesprungen ist, in die dicht bewachsene Baumgruppe hinein.
Auf den ersten Blick ist dort nichts außergewöhnliches, bis auf die auffällige Stille vielleicht.
Er schreckt plötzlich auf, als er eine Gestalt zu den Füßen seines Hundes erblickt.
Aber das ist kein Fuchs oder Kaninchen.
Es hat ein langes schwarzes Gewand um sich gehüllt und liegt zusammen gekrümmt und regungslos zwischen den hohen Wurzeln der alten Bäume.
Einen kurzen Moment ist er skeptisch, schließlich hat er keine Ahnung, wer oder was dort liegt.
Allerdings siegt nach einigen Sekunden Überlegung die Neugierde wie schon viel zu oft über seine Vernunft.
Zügigen Schrittes stakst er zwischen den Gewächsen hindurch und kniet sich neben Elvis und das kümmerliche, offenbar entweder tote oder bewusstlose Wesen.
Sachte streicht er den Umhang bei Seite und sieht seine Hand reflexartig zurück zucken.
Er blickt direkt in das Gesicht eines jungen Mannes...
Obgleich das Wesen, was da vor ihm liegt auch ein Junge, fast schon eine Frau sein könnte.
Zarte, aber doch markante Züge und - selbst gegen seine eigene - sehr blasse und feine, fast feminine Haut.
Die schmalen, blass rosa Lippen bewegen sich zaghaft mit seinem Atem, eine einzelne, rabenschwarze Strähne hängt über seinem linken Ohr.
Einige Momente sitzt der Blonde einfach nur stumm neben dem schwach wirkenden jungen Mann und betrachtet ihn wie von einer Magie angezogen.
Als sein Blick aber auf die schmale Schulter fällt, die gehüllt ist in ein schwarzes Hemd, wird er aufmerksam.
Blut sickert durch den dünnen Stoff, auf dem es schwarz und unwirklich scheint.
Er streckt vorsichtig seine Hand aus und betastet die Wunde nur zaghaft, als habe er Angst, der blasse Körper könnte zerbrechen, wenn er zu grob ist.
Ein erschöpfter Kehllaut und ein zusammenzucken des ganzen Körpers ist eine ausreichende Reaktion auf diese Berührung, die nicht einmal eine Sekunde gedauert haben kann.
Der junge Mann besinnt sich, hebt das zitternde, schwarze Wesen unter den Armen und Kniekehlen auf und trägt es behutsam durch das dichte Gestrüpp hinüber zu seinem Lager, an seiner Seite der treue und fast sorgenvoll, aber auch misstrauisch winselnde Hund.
Das klappern der Tasse, als Rodrigo sie zitternd auf den Tisch zurück stellt, bricht die nervenzerfetzende Stille der kleinen Hütte.
"Du machst dir Sorgen, nicht?"
Synthia lässt sich ihm gegenüber sinken und gießt ihm erneut etwas Tee ein.
Der Braunhaarige fährt sich mit den Händen durch das Gesicht, das, von Schweißperlen übersäht, im Kerzenlicht schimmert.
Das Feuer ist die einzige Lichtquelle im Raum, die Fenster sind mit Brettern so dicht vernagelt, dass kein Sonnenstrahl mehr hindurch dringt.
"Natürlich... was ist wenn sie ihn schon längst..." doch die Baroness unterbricht ihn.
Sie legt ihre kalten, schmalen Hände in seine.
Er sieht, sich schuldig fühlend auf, blickt tief in ihre eisblauen Augen, voller Besorgnis und Verständnis.
Sie lächelt ihn schwach an und schüttelt fast unmerklich ein wenig den Kopf.
Trotz ihrer Blässe und den schwachen, zarten Lippen, breitet sich eine tiefe, wohlige Wärme in seinem Inneren aus und er streichelt ihre kalten Finger sanft mit seinen und nähert sich mit seinem Gesicht langsam ihrem, durchbricht den Abstand, der zwischen ihnen herrschte.
Synthia spürt eine Gänsehaut auf ihrem Hals, als sie den warmen Atem dort wahr nimmt, obgleich unter ihrer Haut bereit das Blut wie Magma durchfließt.
Wenige Zentimeter sind die beiden von einander entfernt, nur noch ein Luftzug trennt ihre Lippen voneinander, der von Rod ausgeht und ihr ins Ohr wispert:
"Ich liebe dich..."
"Mein Herr! Mein Herr wacht auf!"
Blinzelnd öffnet der Vampir seine Augen und knurrt verschlafen.
"Vincent, was gibt es so wichtiges? Die Sonne ist vor zwei Stunden erst untergegangen!"
Er sieht hinunter auf die große, graubraune Ratte, die auf seinem Schreibtisch sitzt und zu ihm aufschaut.
"Oh Luzifer, ich habe euren Neffen verfolgt, wie ihr befohlen habt. Selbst wenn er es doch gar nicht wert ist, dieser verzogene..."
Das überdurchschnittlich große Tier stockt, als ein scharfer Fingernagel an seinem Hals zu liegen kommt.
"Komm zum Punkt, Vincent!"
Die Nase des Gehilfen zuckt nervös und in gebrochenem, aber weiterhin fiependem Ton fährt er fort:
"Ich sah, wie er stürzte, den Hang hinab gehastet ist er und dann... WUSCH!"
Ein heiseres Quieken folgt, die Ratte amüsiert sich köstlich über diese Erinnerung.
Der Graf wird aufmerksam und drückt die Kehle des Tieres ein wenig nach oben.
"Was sagst du? Wer? Wer hat ihn angegriffen??? Sag es mir!"
Vincent fiept einige Male nach Luft schnappend, bis er krächzend hervorbringt:
"Ich weiß es nicht, Meister! Aber ich nahm an, ihr wäret es, die ihn in diesem Hinterhalt umbrächten, es kam vom Schloss!!!"
Wütend schließt Luzifer kurz seine Krallen um den Hals der Ratte, wirft sie dann aber achtlos auf den Tisch zurück und hastet wütend aus seinem Zimmer in Richtung des Saals, in dem der Rest der Grafenfamilie eine ausgelassene Orgie veranstaltet.
Hustend lässt sie sich in der großen Baumkrone sinken, schlingt die Arme um ihre aufgeschürften Knie, die gehüllt sind in schwarzen, zerfetzten Stoff.
Über ihr von Regen und Schlamm verschmiertes, zartes Gesicht rinnen heiße Tränen.
Sie atmet schwer, kann noch immer nicht glauben, was sie Nachts zuvor gesehen haben soll.
Sie vergräbt ihr Gesicht in den blutverschmierten, aufgerissenen Händen und versucht, über die Hürde ihrer Fassungslosigkeit hinweg zu kommen.
Immer wieder surrt der verfluchte Pfeil Zentimeter an ihrem Ohr vorbei, den Hang hinunter und trifft ihren Cousin, der stürzt ohne noch schreien zu können, rollt durch das dichte Gestrüpp in den Wald hinein.
Das Schluchzen geht in einem tiefen Donnergrollen unter, der sie kurz zusammen zucken lässt.
Ein Blitz erleuchtet den Talkessel für einen Moment taghell.
Zaharas Blick fällt auf die nahe gelegene Burg, deren dunkle Zinnen inmitten des dicht fallenden Regens schimmern.
dream and reality
Eisige Kälte...
An den Wänden widerhallende Schritte...
Dumpfe lateinische Beschwörungsgesänge...
Schwarz geschminkte Totenkopfgestalten...
Dunkle Kutten...
Kerzenlicht...
Weihrauchdämpfe...
Schwarze Rosen...
Ein schrilles Lachen...
Dann berstende, vernichtende Hitze...
Ein leises Flüstern...
Der Raum beginnt sich zu drehen...
Schwindel...
Schwer atmend fährt er aus dem Schlaf.
Von seiner Stirn perlen kalte Schweißtropfen, er spürt eine unangenehme Gänsehaut, die sich um seinen nackten Oberkörper gelegt hat.
Verwirrt sieht er sich um, begreift nicht so Recht wo er gelandet ist, hat er doch gedacht, dass sein Leben sehr schnell ein Ende gefunden hat.
Fast ein wenig panisch sieht er sich in dem stickigen Zelt um und beißt sich auf die Zunge, als er eine große, schlaksige Gestalt neben sich erkennt.
Nur widerwillig legt er die Hand auf die kalte, mit Kupfer überzogene Türklinke, die von Außen in die Küche des Schlosses führt.
Immer wieder schweifen seine Gedanken ab, zu dem sanftmütigen Wesen, dem er lieber seine Anwesenheit schenken würde, als der lange nicht mehr ehrwürdigen Familie, die der Mörder seiner eigenen war.
In der Schlossküche ist es still. Der Bratengeruch hängt noch immer in der Luft und hie und da sitzen Hausmädchen, alle schmächtig und abgemagert, auf Hockern und ruhten wenigstens ein, zwei Stunden, bevor sie bei Sonnenaufgang beginnen würden, das Anwesen zu säubern und Nachts das Essen bereiteten.
Einige der hohlwangigen Gesichter erkennt er wieder, sie waren einmal seine Bediensteten, die nach der Plünderung seines Familiensitzes, auf der Suche nach einem Dach überm Kopf und einer Arbeit, hier her gekommen sind.
Ohne das Wissen, nie wieder wegzukönnen.
Er ballt stumm wütend die Hände zu Fäusten.
Unter heillosem Getöse kracht einer der riesigen kristallenen Kronleuchter mitten auf die gedeckte Tafel.
Scherben schießen zur Seite, die Familie springt laut kreischend und keuchend auseinander.
Das ist die Einleitung des Duells und keiner will nun zwischen die Geschwister, die jetzt Kontrahenten, Gegner bis aufs Blut sind, treten..
"Verräterin!"
Die ölige Stimme schallte durch den Raum, der sich immer schneller leerte, bis nur noch 3 Leute sich darin befinden.
Luzifer, vor Zorn bebend, dessen Blick sich auf die plumpe rothaarige Gestalt seiner Schwester richtet und Gerade, der immer noch seelenruhig im Raum steht und die beiden beobachtet.
"Aber... Bruder, ich wollte doch nur..."
"Schweig!" faucht er wütend und macht einige Schritte auf sie zu.
"Du hast meinen ganzen Plan durchkreuzt hörst du? Alle werden glauben, unsere Familie sei nicht ehrenhaft genug, wir verlieren all unsere Macht. Alles!"
Er steht nur wenige Zentimeter vor ihr, seine Augen glühen rot, als er eine seiner Hände hebt.
"Aber jetzt weißt du einfach zu viel."
Plötzlich wieder ein kühles, herablassendes Lächeln.
"Bedaure, aber das muss sein. Glaub mir, es tut mir mehr weh als..."
Seine Rede erstickt, als der schwer atmende Gerade vor stößt und die massige Frau mit seinem schmächtigen Körper deckt.
Seine Mandelaugen fixieren die seines Bruders. Sein Stand ist selbstsicherer denn je.
Nur sein Atem verrät eine gewisse Angst.
"Du also auch, Bruder?"
Luzifer betont das letzte Wort mit aller Kälte, die er aufbringen kann.
"Es hat wohl nicht sollen sein."
Mit einem harten Zustoßen öffnet er das schwere Eichenportal und betritt die Halle.
"Zaha..." er bricht ab, als er die Rothaarige erblickt.
Seine Stimme versagt, denn ihr Zustand macht ihn sprachlos.
Das Mädchen hockt in einem Chaos aus Scherben, Splittern, Essensresten und Schlamm zusammengekrümmt da. Biss auf das laute Donnergrollen von draußen durchdringt nur ihr schwaches Wimmern den Raum.
Mit unsicheren Schritten eilt er quer durch die Halle und fällt schließlich neben ihr auf die Knie.
"Kleines? Ich bin's, Rod. ... Was..."
Wieder kann er nicht weitersprechen, diesmal weil sich die Vampirstochter überschwänglich in seine Arme wirft.
"Sie haben Bela."
Sanft legt er seine Arme um den zitternden Körper, streichelt zögernd durch den wilden Lockenschopf.
"Keine Angst, er ist nicht tot. Glaub mir." Flüstert er nach einer Weile in ihr Ohr, als das Schluchzen und Wimmern abgeklungen, die Aufregung gemindert ist.
Langsam, noch sehr schwach, hebt sie nun ihren Kopf von seiner Schulter, schaut ihn ungläubig, jedoch auch hoffnungsvoll an.
"Aber ich hab doch gesehen, wie..."
Rodrigo nickt voreilig bejahend, fährt dann aber selbst fort:
"Er wurde gefunden und ist dort sicher, wo er versteckt ist, vertrau mir.
Vorerst sollte er dort bleiben."
Ein wenig überrascht taucht er seine Hände erneut beruhigend in die roten Haare, als sie ihr Gesicht an seine Brust schmiegt. Mit ziellosem Blick schaut sie gerade aus, nickt kaum merklich.
"Er kann wohl nicht wieder her. Ist er bei seiner Baroness?" fragt sie in müdem, etwas abfälligem Ton. Für diesen Moment lodert ein wenig Zorn in dem einstigen Erben hoch, klingt sie doch bei diesem Satz genau wie ihre Onkel.
Rasch bändigt er sich aber, erwidert nur, dass weder der Graf Synthia, noch sie ihn sehen wolle und er an einem viel unerwarteterem Ort sei, damit man ihn nicht entdeckte.
"Ich darf ihn nicht verraten. Du weißt, dass die Wände hier Ohren haben."
Leise seufzend nickt sie und genießt einen Moment einfach die beruhigende Atmosphäre, die der Ältere ausstrahlt.
"Rod?"
"Ja?" fragt er sofort, erpicht darauf die Stille zwischen ihnen zu brechen.
"Sie... sie haben Mutter auf dem Gewissen..."
Er schluckt hart. "Oh..."
Mit etwas schwermütigem Blick verfolgte er den Sonnenuntergang, der um diese Jahreszeit er sehr spät einsetzte.
Der Schwarzhaarige ist noch immer nicht aufgewacht und liegt still und schwach wie ein neugeborenes Kitz im Schutz seines alten, wackeligen Zeltes.
Immer wieder keimt in ihm die Frage auf, woher der Kleine stammt, was seine Vergangenheit ist und ob er vielleicht verfolgt wurde, denn seine Fleischwunde am Rücken ist tief und hatte noch lange höllisch geblutet.
Trotz das er wie ein Mensch aussieht, erscheint er Jan wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Vielleicht verwünscht?
Bei diesem Gedanken schüttelt er energisch den Kopf, das geht doch zu sehr ab in die Absurden seiner Fantasien.
Er lächelt ein wenig spöttisch über sich selbst und greift gerade nach seiner Suppenkonserve, als Elvis, der ruhig und geduldig zu seinen Füßen gelegen hat, plötzlich aufschreckt und auf das Zelt hinter Jan starrt.
Verwundert folgt der Blonde seinem blick und sieht direkt in zwei grün blitzende Augen.
"Oh, du bist wach..."
Immer noch etwas benommen und schwer atmend starrt Bela ihn weiter an.
Seine Vermutung, ausgerechnet bei dem fragwürdigen Einsiedler gelandet zu sein, bestätigt sich an dieser Stelle und er verlässt nur zögernd den Schutz des Zeltes.
Vor ihm sitzt ein Mensch aus Fleisch und Blut. So, wie seine Mutter einer war, so wie er zur Hälfte selbst einer ist.
Kurz zuckt er zusammen. Ein pfeifender Schmerz durchzieht seinen Kopf.
Langsam geht er weiter auf ihn zu, setzt sich schließlich miteinigem Abstand neben ihn und wärmt seine eiskalten Hände am Lagerfeuer, ohne ihm noch einmal in die Augen zu sehen.
Doch diese Geste scheint dem Blonden zu reichen:
"Ich hab dich gefunden, heut früh... Sahst ziemlich übel aus."
Zaghaft legt Bela eine Hand auf seine Schulter, berührt den frischen Verband.
Dann nickt er langsam, Sprechen scheint ihm in diesem Moment nahezu als eine Quälerei. Sie hatten ihn hinterhältig umbringen wollen um selbst freie Bahn zu haben. Das würde er sie büßen lassen.
Seine Hände verkrampften sich.
Etwas fragend hebt Jan darauf eine Braue, erwartet aber keine Antwort und betrachtet den schwarzhaarigen stumm.
Seine Augen glänzen auf eine unheimliche Art hellgrün und wütend, gerade so, als spreche der Rachedurst aus seinem Blick.
Doch auch sonst ist es nun, wo er erwacht ist, für Jan noch schwerer, an einen normalen Menschen zu glauben. Sein ganzes Auftreten gleicht eher einem eleganten Wesen der Nacht.
Fast muss er lächeln.
Eine irgendwie erschreckende und zugleich schöne, interessante Vorstellung.
Doch sich auch das aus dem Sinn schlagend wirft er einen flüchtigen Blick auf seine Dose mit dampfender Suppe.
"Hast du Hunger?"
Bela schreckt auf und sieht von der Konserve in der Hand seines Retters zu seinem Gesicht. Als er etwas erwidern will bleibt ihm jedoch das Wort in der Kehle stecken. Seine Zunge scheint sprachunfähig, macht ihn stumm.
Doch sein Magen siegt in diesem Moment über seine Selbstbeherrschung.
Zaghaft streckt er die Hände aus, bemerkt erst jetzt, wie sie zittern und legt die dünnen, weißen Finger um die Blechdose, als sie plötzlich jene großen schlanken Hände des Blonden berühren.
Er zuckt kurz ein wenig zusammen und schaut entschuldigend hoch in das braun gebrannte Gesicht des Größeren.
Ein Lächeln schleicht sich auf Jans Lippen.
Der Schwarzhaarige verhält sich wie einer der Aristokraten aus dem 17. oder 18. Jahrhundert, obwohl er ihm nur eine Dose mit dürftiger Nudelsuppe reicht. Und das im 20. Jahrhundert. Wieder fragt er sich, wo er wohl aufgewachsen ist.
Mit leichtem Druck überlässt er ihm die Konserve.
Der Kleinere nickt und setzt sie vorsichtig an seine trockenen Lippen.
Der Blonde wendet seinen Blick wieder in das lodernde Feuer.
"Ich heiß Jan. Aber wie soll ich dich n jetzt nennen?"
Verwundert schaut Bela von der Suppe auf, die nun langsam seinen gesamten Körper wärmt.
Etwas behindert ihn noch immer zu sprachen und er ist unsicher, ob er Jan so weit trauen kann, dass er ihm seinen Namen nennt.
"Wenn du's mir nicht sagen willst dann sollte ich dir vielleicht einen Namen geben."
Als der Schwarzhaarige nur zögernd nickt, beginnt Jan zu grübeln, während er ihn eindringlich mustert.
"Bela. Gefällt der dir?"
Er schließt mit einem zufriedenen Lächeln die Augen.
Der junge Graf, der jetzt nicht mehr als ein verkrüppelter, stumm gewordener Straßenjunge zu sein scheint, starrt ungläubig in das Gesicht des Blonden.
Tausende Gedanken wollen durch seinen Kopf schießen, doch er hält sie zurück, aus Angst, dieser merkwürdige Mensch könnte sie lesen.
Sekunden später blickte er in ein verunsichert blinzelndes Gesicht.
"Hab ich was falsches gesagt? Gefällt dir der Name nich?"
Hastig, fast wie aus einem Reflex heraus schüttelt er den Kopf und sieht zu, wie die honigfarbenen Gesichtszüge sich entspannen und Jan fast verträumt wirken lassen.
"Ich finde es passt zu dir. Irgendwie düster, geheimnisvoll...
Auch wenn du das jetzt nur noch albern findest."
Sein Blick wendet sich verlegen wieder zum Feuer, gerade so, als spricht er mit den glühenden Holzkohlen.
perfect darkness - dark perfection
Mit einem harten Knall fällt der Fensterladen, vom Wind nach innen gedrückt gegen die Wand.
Die Blonde schreckt sofort auf, in ihren kristallenen Augen steht nur noch Angst, kein Funken der Müdigkeit mehr, gerade so, als hätte sie nie geschlafen.
Versteinert starrt sie auf die verbarrikadierten Innenwände des kleinen Hauses, die sie schützend umgeben, hofft, dass Rodrigo es ist, der zurück kommt.
Als sie wenige Sekunden später die vertraute Stimme vernimmt, lächelt sie flüchtig, ist kurzzeitig erleichtert, doch ihre Hände verkrampfen sich schnell darauf wieder in den rauen Leinen der Decke.
Er spricht mit jemandem.
"Aber Rod!"
Die Rothaarige schaut ihn verzweifelt an.
"Nein, Kleines! Ich hab doch gesagt, es ist besser, wenn so wenige wie möglich von seinem Versteck... überhaupt von seinem Überleben wissen."
"Ich bin aber seine Cousine!!!" widerstrebt sie, sieht aus vorwurfsvollen Augen zu ihm auf.
Rod schweigt darauf kurz, um seine wertvolle Ruhe zu bewahren und schaut dann seufzend auf die Jüngere hinab.
"Und deine Mutter war seine Tante. Und Luzifer ist sein Onkel."
Wütend ballt sie ihre Hände zu zitternden Fäusten.
Die zischelnde, bebende Stimme durchschneidet die Luft:
"Aber ich bin nicht wie die!"
Gerade, als Rodrigo etwas erwidern will, fahren beide abrupt herum.
Die Tür öffnet sich langsam und eine blasse, dünne Gestalt tritt auf die Schwelle.
Während der Dunkelhaarige sie betrachtet und mit stummen, zu einem leisen Lächeln gezogenen Lippen ihren Namen formt, wandern die irrenden, gelblich rot glühenden Vampirsaugen unruhig ihren Körper auf und ab.
"Du..." flüstert sie schließlich, noch immer mit einem Zischen in der Stimme, welches an eine jagende Schlange erinnert.
Ihre roten Locken scheinen wie elektrisiert abzustehen.
Zaharas Wut und Enttäuschung lenkt sich mit einem Schlag vollkommen auf Synthia um, welche ihrem bedrohlichem Blick kühl trotzt.
Auch ohne ihr ins Gesicht zu sehen weiß Rodrigo um die Verletzungen, die im inneren der jungen Baroness aufreißen, als sie den Spross ihrer Entführerin vor sich hat, die sie mit gleichsam hasserfülltem Blick ansieht, wie ihre Mutter.
Beruhigend greift er nach ihrem schmalen Handgelenk, sieht sie sanft an.
Als Zahara so auf grausame Weise vor Augen geführt wird, auf welche Seite sich Rodrigo schlägt, scheint ihre Wut überhand zu nehmen. Doch um sich auf das unschuldig wirkende blonde Wesen zu stürzen, welche ihre Hand nun fest um die Rodrigos schließt, reicht ihre Kraft nicht aus.
Einen Moment taucht das Bild des brennenden Pfeils wieder vor ihrem inneren Auge auf und sie fühlt sich selbst von einem solchen getroffen, mitten in ihr Vampirherz, dass als das letzte seiner Art noch schlug.
Langsam kriecht das sanfte Morgenrot über die Bergspitzen und wirft scharfgestochene Licht- und Schattenflächen auf die blassen, feinen Gesichtszüge Belas.
Gleich darauf blinzelt jener und gähnt leicht, kauert sich augenblicklich etwas hinter den ihn weit überragenden Jan, der nun etwas verwundert zu dem Schwarzhaarigen hinab sieht. Bald schleicht sich ein Lächeln auf sein Gesicht.
"Leg dich besser hin, deine Verletzung braucht unbedingt Ruhe."
Etwas erschrocken, da der Blonde seit Stunden kein Wort mehr von sich gegeben hat, sieht Bela auf, will gerade zu einem höflichen Widerspruch ansetzen, als er merkt, dass seine Stimme noch immer zu schwach ist, um seinen Befehlen zu gehorchen.
Ohne weiter seine Meinung zu beachten, schickt der Blonde seinen leicht vampiresken Freund zurück in die dürftige Unterkunft der beiden.
Als der Kleinere schließ0lich gehorsam und wohl doch recht froh über sein zuvorkommendes Angebot unter der Schatten und Schutz spendenden Plane verschwunden ist, wendet Jan seinen Blick wieder zu dem noch glühenden, schwarzen Rest des Lagerfeuers und versinkt augenblicklich in Gedanken.
Tatsächlich war ihm der Name Bela schnell in den Sinn gekommen, als er darüber nachsann, aus welchen Verhältnissen der Schwarzhaarige wohl gekommen war.
Bei diesem Namen ist ihm gleich der Hauptdarsteller aus einem der wenigen Horrorfilme, die er wirklich zu schätzen weiß, vor Augen. Bela Lugosi.
Er schuf das perfekte Böse, was in seiner vollkommenen Finsternis reiner und schöner war, als alles Gute der Weilt.
Und so kam ihm auch der Schwarzhaarige vor.
So geheimnisvoll und düster, dass er schon wieder so makellos wie kein anderer war.
Jan lächelt seufzend und krault durch das schwarze Fell seines Hundes, der sich zu seinen Füßen gebettet hat.
Mit schnellen, sicheren Schritten sucht sie sich ihren Weg durch die dunklen Korridore der unterirdischen Gewölbe, in denen sich ihre Ahnen verkrochen haben und sie nun aus gelbroten Augen kritisch mustern. Sie versucht das Geflüster zu übergehen, bemerkt doch immer wieder Phrasen, die ihr Gemüt nur noch mehr erhitzen.
Über ihre bleichen Wangen fließen Tränen, die in der kalten Luft eine Gänsehaut hinterlassen. Immer wieder taucht das Bild Rodrigos vor ihr auf, sein abwertender Blick, den er auf ihre gefletschten Vampirzähne wirft und die sanften Blicke, mit denen er das menschliche, schwache Mädchen streichelt.
Schließlich wirft sie die letzte Tür zu ihrem völlig abgedunkelten Gemach hinter sich zu und sinkt auf dem großen Bett nieder, ihr Gesicht und ihre, mit scharfen Nägeln besetzten Finger in den Federkissen vergrabend.
In diesem Moment verspürt sie zum ersten Mal in ihrem Leben wirklichen Hass auf die Rasse, unter der sie geboren ist, hasst das Bluttrinken, hass die Kälte, die Grausamkeit und wünscht sich nichts sehnlicher, als ein gewöhnlicher, sterblicher Mensch zu sein.
Was würde sie darum geben, wenigstens zur Hälfte warmes Blut zu besitzen, einen menschlichen Namen, wie Dirk.
Hinter sich hört sie Schritte, dann eine knochige Hand auf ihrer Schulter.
"Verschwinde!" faucht sie nur wütend, will von niemandem so gesehen werden.
Die ölige Stimmte Gerades antwortet:
"Warum so bedrückt, mein Kind?"
"Ich hasse dich! Ich hasse alles!"
Zahara reißt herum und sieht offen in die kalten Augen.
Zum ersten Mal machen sie ihr Angst, darum schweigt sie.
Die bleichen Lippen ziert ein schwaches Lächeln.
"Warum? Ist dir der Stand einer Gräfin nicht mehr genug?"
Erneut spürt sie ein brennen in den Augen, folgt einem dringenden Impuls und wirft sich in die Umarmung ihres Onkels, der düster Lächelnd die dürren Arme um sie schließt.
"Ich weiß, was du willst, mein Kind."
Schon schluchzt Zahara wieder.
"Und du wirst es bekommen, keine Sorge."
Er spürt, wie die schlanken, noch immer zitternden Finger ihn leicht von sich drücken.
Ihre kindlichen Augen mustern ihn erstaunt, ihre Stimme ist schwach.
"Wirklich? Was... Was muss ich tun?"
Die kalte Hand berührt ihre glühende Wange und streichelt sie leicht, sie spürt die scharfen Nägel, doch ignoriert sie.
Sie bemerkt nicht das düstere Blitzen in den Augen des Onkels, sieht nur das gönnerische Lächeln:
"Du musst mir nur, einen klitzekleinen Gefallen tun..."
question
Mit raschen, jedoch lautllosen Schritten eilt Rodrigo über das hochgewachsene, frische Gras, welches im Licht der Dämmerung glänzt und in reichen roten Tönen erstrahlt, gerade so wie ein Meer aus Flammen. Doch der Braunhaarige beachtet die atemberaubende Landschaft nicht wirklich, ist er doch von klein auf an eine solche gewöhnt. Ihn quälen Sorgen, die ihn außerdem ohne hin völlig davon ablenken.
Mit raschen Sprüngen schreitet er auf die ihm altbekannte Lichtung, von der aus er das kleine Lager schon erkennen kann. Bereits aus dieser Entfernung nimmt er den Geruch der Tomatensuppe war, welche über dem kleinen offenen Feuer brodelt.
Eine warme Brise streicht ihm schließlich ein paar verschwitzte Strähnen aus dem Gesicht und leise seufzend macht er sich auf den Weg.
„Pass auf, das Zeug is noch sehr heiß.“
Stumm nickend beobachtet Bela die geschickten Bewegungen, welche die schlanken Hände ausführen, um möglichst der Hitze des Feuers zu entgehen.
Seufzend stellt der Blonde schließlich die Konserve vor den beiden auf den erdigen Boden, welcher um das Feuer herum nur noch von einer sperlichen Grasnarbe bedeckt ist.
Dampfend steigt der wohlige Geruch von heißer Suppe, Gemüse, schwarfen Gewürzen in die Nasen der beiden hungrigen Freunde.
Wie jeden Abend schiebt Jan dem Schwarzhaarigen bereitwillig als erstem den Löffel zu.
Beim ersten Mal hatte jener noch heftig protestiert und er hatte viel Redekunst anwenden müssen, um ihn zu überzeugen, er müsse zu Kräften kommen. Nun nickt Bela wiederholt dankend und hebt den tiefen, gefüllten Löffel an seine Lippen, trinkt fast ehrfürchtig den ersten Schluck und spürt jeden Tropfen Suppe wie pure Kraft in seinen Rachen hinunter rollen.
Genüsslich schließt er die Augen, hält aber inne, als er das schwere Schlucken Jans wahrnimmt, der ihm aus Anstand nicht zusieht, jedoch jeden verwöhnten Laut hören kann.
Bela muss sich ein schwaches Grinsen verkneifen und legt die Blechkonseve, aus der noch immer der Dampf der Suppe aufsteigt, wissend in die großen schmalen Hände.
Die braungrünen Augen scheinen plötzlich zu erwachen und den Schwarzhaarigen trifft ein überrascht fragender Blick.
Er lächelt und nickt nur kurz, steht dann auf, unter der wachsamen, misstrauischen Beobachtung von Elvis und geht ruhigen Schrittes in Richtung Wald.
Erst will Jan ihm etwas hinterher rufen um ihn aufzuhalten, doch erkennt er, dass es nun sinnlos geworden ist und wendet sich lächelnd der Suppe zu.
Der Hund zu seinen Füßen knurrt leise, legt sich aber auf ein Zeichen Jans nieder und lehnt sich beschützend an ihn.
Als die beiden sich gegenüber stehen, scheint kurzzeitig alles still zustehen.
Die Augen des jungen Grafen weiten sich dann aprubt, als er realisiert, wer vor ihm steht.
„Rodrigo...“ formen seine Lippen langsam und zum ersten Mal seit Tagen begleitet sie seine tiefe, allerdings etwas angekratzte Stimme.
Der Braunhaarige scheint mehr als erleichtert, lächelt, tritt einige Schritte näher und reagiert noch rechtzeitig, fängt den Kleineren gerade so auf, als dieser sich in seine Umarmung wirft.
„Sie wollten mich umbringen. Einfach hinterhältig ermorden...“
Der Kleine spricht in flüssigem, doch langsamem Spanisch. Die Sprache, die er immer mit seinem besten Freund sprach.
Sanft legt sich die raue Hand Rods auf den schmalen Rücken, er nickt nur langsam und sinnt über Worte nach, die den Schwarzhaarigen jetzt am besten trösten könnten.
„Wir dachten auch alle, du wärst tot.“
Er spürt, wie Bela zusammen zuckt und sich in seiner Umarmung zurück lehnt, um ihn mit verständnislosen Augen anzuschauen.
„Ich? Tot?“
Auf den schmalen Lippen Rodrigos liegt ein leichtes Lächeln.
„Ich habe es ja vor Zahara und Synthia bald widerlegen können. Aber zumindest deine ehrenwerte Familie denkt, dass du nicht mehr lebst.“
Minutenlang scheint ihr Augenkontakt aufrecht erhalten zu bleiben, bevor Bela fragend blinzelt, da Rod etwas von ihm zu erwarten scheint.
„Und was bedeutet das für mich?“
“Bela!“, der Schwarzhaarige fährt kurz zusammen, denn Rod hat seine Stimme stark erhoben, „Das ist deine Chance, von hier zu verschwinden und das alles hinter dir zu lassen. Verstehst du nicht? Sie trachten dir nach dem Leben und wenn sie dich nicht haben können, werden sie alle Mittel anwenden, um dich in die Enge zu treiben!“
Gleich einem naiven Kind schaut Bela hoch in die entschlossene Mine des Größeren.
Rod deutet durch die Bäume in Richtung des schwachen Feuerscheines, der sie noch erreicht.
„Geh mit ihm mit. Du gefährdest nicht nur dich, sondern auch ihn.“
Resigniert sinken die Schultern des Schwarzhaarigen nieder und er schluckt.
Natürlich kommt es ihm nun nicht mehr in den Sinn, den Blonden kaltblütig umzubringen. Zu viel verdankt er ihm.
Jedoch streubte sich sein Gewissen, vor allem seinem Vater gegenüber, wenn er daran dachte, seinen Onkeln das Schlachtfeld einfach zu überlassen.
Die Schleiereule unterbricht laut kreischend die schwere Decke des Schweigens.
„Ich muss fort. Sie rufen mich.“
Ohne auf eine Antwort zu warten, drückt der Jüngere seinen bleichen Freund an sich, bevor er mit einer Umdrehung verschwunden ist.
Noch eine Weile starrt Bela auf den Fleck, wo er bis eben noch stand, voller Gedanken, die ihn zu Boden drückten.
Ein Rascheln ruft ihn zurück. Er dreht sich um, blickt in Jans unwissendes Gesicht. Es versetzt ihm einen Stich, obgleich der Blonde fragend lächelt.
„Alles okay?“
Der Schwarzhaarige nickt und geht langsam auf ihn zu.
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